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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0053
Der »Ausländereinsatz«: Zwangsarbeiter in Baden und Hohenzollern 1939-1945

Teil von Ostarbeiterinnen angefertigt^. Die Zwangsarbeit trieb auf diese Weise die Rationalisierung
der deutschen Industrie voran. Nochmals Freyer: Intensiver Ausländereinsatz setzt
einen rationellen Arbeitsfluß als Bedingung voraus.

Die Zwangsarbeiter sahen sich zumindest in den Großbetrieben einem ausgeklügelten
Überwachungssystem gegenüber. Jeder einzelne unterlag einer genauen Beurteilung seiner
Leistung. Erfüllte er die Kriterien oder zählte gar zu den besten, erhielt er alle Vorteile, angefangen
von einem besseren Essen und besserer Kleidung bis hin zu schöneren Freizeitvergnügungen
. Kein Bereich des Lebens blieb von seinem Dasein als Sklavenarbeiter ausgespart.

Erfüllte er die Anforderungen aber nicht, fielen nicht nur Vergünstigungen weg. Es drohten
schwere oder gefährliche Arbeiten, es drohten Mißhandlungen durch den Betrieb. Wir haben
Fälle erlebt, so der Fieseler-Chef süffisant, daß beim Einsatz widerspenstiger Holländer
eine Besserung nur erzielt werden konnte nach einem kürzeren oder längeren Aufenthalt in einem
abgeschlossenen Raum mit einigen handfesten deutschen Gefolgschaftsmitgliedern zusammen
. Am Schluß der Skala stand die Meldung an die Gestapo und die Einweisung in ein
Arbeitserziehungslager oder KZ37.

Perfiderweise banden diese Arbeitssysteme auch die deutschen Beschäftigten, denen die
Ausländer zugeteilt wurden, in den Terror mit ein. Die Einheimischen verlangten schon aus
eigenem Interesse gute Leistungen von den Zwangsarbeitern, um ihr Einkommen in den Akkordgruppen
nicht zu gefährden. Daimler-Benz Mannheim hatte dieses Vorgehen perfektioniert
: Wir wenigstens sind gezwungen, jeden einzelnen Kriegsgefangenen auf Leistung zu
bringen, und der übergroße Teil ist auch in Kameradschaften, das heißt Akkordgemeinschaften
eingegliedert, wo schon jeder deutsche Arbeiter an der Leistung des Italieners oder Franzosen
sehr interessiert ist, da dessen Minderleistung auch für das deutsche Gefolgschaftsglied Minderverdienst
bedeuten würde™. Deutsche Vorarbeiter, Werkmeister und Kollegen machten sich
deshalb mit Mißhandlungen und Schlägen zu Komplizen der Nazis.

Diese Methoden steigerten die Leistung der Zwangsarbeiter, die Produktion der Rüstungsfirmen
und damit auch ihren Profit erheblich. Brown, Boveri und Co, heute ABB, eine bedeutende
Schweizer Rüstungschmiede aus Mannheim im Maschinenbau und Elektrobereich,
stufte Ende 1944 fast 90 Prozent ihrer 2000 Ausländer als »gut« oder »sehr gut« ein. Auch die
meisten andere Firmen waren mit den Ostarbeitern und dabei vor allem mit den Russinnen
zufrieden39. Vor allem die Kriegsgefangenen wurden zur bei weitem rentabelsten Arbeitskraft
und fast so billig wie KZ-Häftlinge.

Insgesamt bestand weiterhin der Vorrang des Rassismus, Verbesserungen zur Steigerung
der kriegswirtschaftlichen Ausbeutung waren aber möglich. Das Leben der Osteuropäer blieb
immer bedroht: ob durch Hunger und Erschöpfung, durch die oft schlimmen hygienischen
Zustände in den Lagern oder durch Mißhandlungen der Gestapo und die Verschleppung in
ein KZ. Frauen blieben Nachstellungen der Lagerleiter ausgesetzt oder fielen mißlungenen
Abtreibungen zum Opfer40. Im letzten Punkt bildete offenbar das Bodenseegebiet eine große
Ausnahme, da sich 1944 an sämtlichen dortigen Krankenhäusern die konfessionellen Schwestern
weigerten, einen Abbruch vorzunehmen41.

Die Lebensbedingungen der einzelnen Ausländer unterschieden sich erheblich voneinander
. Letztlich hing das Schicksal vor allem der sowjetischen Zwangsarbeiter davon ab, in wel-

36 Vortrag Freyers bei der Besprechung von Luftwaffenindustriellen am 22. 6. 1943 bei den Junkers-Flugzeugwerken
in Kassel (Fundort vermutlich National Archives, Washington, T 73/22). Dem Hinweis auf
diese beachtenswerte Quelle verdanke ich D. Krause-Vilmar, Kassel.

37 Peter: Rüstungspolitik (wie Anm. 5), S. 352ff.; Vortrag Freyer (wie Anm. 36).

38 Stadtarchiv Mannheim, EWA 521, Schreiben von Daimler-Benz, 24.3.1944.

39 Peter: Rüstungspolitik (wie Anm. 5), S. 348ff.

40 IMT, Bd. 35, Gauleitung Baden, Runderlaß 28.3.1944. S. 635ff.

41 GLA, 465d/812, Bericht des Gauamtes für Volksgesundheit, 24.7.1944.

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