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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0054
Roland Peter

che Region oder in welchen Betrieb sie kamen, selbst welchem Lagerleiter sie zugeteilt waren.
Zwar gab es viele Deutsche, die den Ausländern halfen und ihnen verbotenerweise Essen abgaben
. Den meisten aber waren sie gleichgültig. Das aber machte das Funktionieren des nationalsozialistischen
Arbeitseinsatzes aus: daß die Praktizierung des Rassismus zur täglichen Gewohnheit
, zum Alltag wurde42.

4. DER ARBEITSEINSATZ VON KZ-HÄFTLINGEN

Die furchtbarsten Dimensionen bei der Verschleppung ausländischer Zwangsarbeiter erreichte
der Arbeitseinsatz der KZ-Häftlinge. Anfang 1945 umfaßten die Lager in Deutschland etwa
700000 Menschen, weit überwiegend Ausländer. Sie wurden in 20 Haupt- mit etwa 1000
Außenlagern gefangengehalten, die sich über das gesamte Reichsgebiet und die angrenzenden
Nachbarländer erstreckten43.

Der massenweise Einsatz der KZ-Häftlinge in der Industrie begann 1942, als sie an die Betriebe
ausgeliehen wurden. Die Firmen meldeten ihren Bedarf an Arbeitskräften bei der SS an
und suchten sich, wie etwa VW und Daimler-Benz, häufig auch selbst die geeigneten Häftlinge
in den Lagern aus44.

Der letzte einschneidende Abschnitt für die Häftlingsarbeit begann 1944, als der Zustrom
ausländischer Zwangsarbeiter weitgehend nachließ. KZ-Häftlinge sollten deshalb die benötigten
Arbeitskräfte stellen. Der weit überwiegende Teil der 1000 Arbeitskommandos entstand
erst in dieser Phase. Dazu gehörte auch die KZ-Außenstelle im Pfullendorfer Holzwerk
Schweyer, die etwa 60 Häftlinge umfaßte. Sie kamen teilweise aus dem Elsaß, wo sie vermutlich
wegen Verweigerung des Wehrdienstes für die Deutschen inhaftiert worden waren. Die in
Pfullendorf verbreitete Behauptung, daß sich darunter viele Kriminelle befunden hätten, ist
unwahrscheinlich und wohl ein Produkt der Propaganda45.

Eine große Bedeutung für die Häftlingsarbeit erlangte der Ausbau unterirdischer Verlagerungsstätten
, in denen Betriebe vor Luftangriffen geschützt werden sollten. Im August 1943
hatte die Reichsführung entschieden, die Raketenwaffe A 4, also die sogenannte Vergeltungs-
(V-)Waffe, unterirdisch produzieren zu lassen. 1944 wurden diese Vorhaben auf die wichtigsten
Betriebe ausgedehnt. Bis zum Jahresende entstand so eine unterirdische und bunkergeschützte
Produktionsfläche von 425 000 qkm, bei der etwa 140 000 Menschen eingesetzt waren
.

Der größte Verlagerungsbetrieb entstand bei Nordhausen im Harz für die V 2, wo jeder
Dritte der eingesetzten 60 000 Sklavenarbeiter umkam. Im Südwesten waren Stollen bei Haslach
im Kinzigtal und bei Uberlingen Beispiele für unterirdische Verlagerungsstätten. In Haslach
arbeiteten 600 meist elsässische Häftlinge für Daimler-Benz. Etwa 100 kamen dabei um,
als die Menschen monatelang tief unter der Erde eingepfercht waren. In Uberlingen gab es
Großprojekte für Dornier, Maybach und die Zahnradfabrik46.

Die Häftlinge mußten die Werke in Stollen, Tunneln oder Höhlen unter kaum vorstellbaren
Qualen vorantreiben. Bei diesen Projekten war Schnelligkeit der oberste Grundsatz. Die
SS holte unter unmenschlicher Antreiberei, grausamen Lebensbedingungen und völlig unzureichender
Versorgung eine kurzfristig maximale Arbeitsleistung aus den Menschen heraus.

42 Herbert (wie Anm. 2), S. 47.

43 Ulrich Herbert: Arbeit und Vernichtung. Ökonomisches Interesse und Primat der »Weltanschauung
« im Nationalsozialismus. In: Ders. (Hg.): Europa und der »Reichseinsatz« (wie Anm. 2), S. 384-427,
hierS. 409.

44 Mommsen (wie Anm. 20), S. 863f.

45 Weber (wie Anm. 3), S. 85.

46 Peter: Rüstungspolitik (wie Anm. 5), S. 178ff.

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