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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0068
Peter Thaddäus Lang

Kleriker an den Hochschulen zugange - diese Zahl hätte rein numerisch ausgereicht, um im
Laufe der Zeit alle 1700 Pfarrstellen des Konradsbistums mit Akademikern zu besetzen4.

Leider sagt die Immatrikulation an sich wenig aus über die Qualität eines Universitätsstudiums
. So waren zwei Drittel der Studenten in der Artistenfakultät eingeschrieben, von denen
die allermeisten sich erst gar nicht ernsthaft um eine profunde Wissensaneignung bemühten,
sondern lediglich ein wenig akademische Luft schnuppern wollten.

Andererseits läßt sich an den erworbenen akademischen Graden ablesen, wieviele spätere
Kleriker sich nun tatsächlich mit ernster Entschlossenheit und - was ja letzten Endes nur zählt
- mit Erfolg ihren Studien gewidmet hatten. Im Bistum Konstanz (um bei diesem Beispiel zu
bleiben) verfügten denn sieben Prozent der Geistlichen über den Magistergrad und ein Prozent
- also jeder hundertste - über den Doktortitel5.

Als eine weitere Voraussetzung für die Priesterweihe galt der Weihetitel. Das heißt, der
Weihekandidat mußte ein Benefizium nachweisen können, also eine Pfründe, die in aller Regel
auch verbunden war mit einer Meß- oder Altarstiftung, mit einer Kaplanei oder Pfarrei. - Diese
Pfründe sollte de jure ihren Inhaber ernähren, was freilich de facto nicht immer der Fall war.

Der Weg zum Benefizium führte über den Patronatsherrn. Das bedeutet also, daß der Kandidat
eine vakante Stelle ausfindig machen mußte, um daraufhin den Patronatsherrn der betreffenden
Stelle derart für sich einzunehmen, daß ihn jener dem Bischof als geeigneten Bewerber
vorschlug.

Nun hatten sich die Patronatsherren hinsichtlich der besonders reichen Pfründen meist
langfristig festgelegt in der Form von Anwartschaften. Dem Durchschnitts-Kandidaten, der
über keine guten Beziehungen zum Kreise der Patronatsherren verfügte, blieb somit nichts
anderes übrig, als sich zunächst mit einer weniger gut dotierten Altaristen-, Vikar- oder Kaplanstelle
zu begnügen, um dann bei Gelegenheit auf eine bessere Stelle aufzurücken.

Bevor wir uns nun der Frage zuwenden, wie sich der solchermaßen ausgebildete und eingestellte
Klerus in Amt und Leben bewährte, sollten wir zunächst einen Blick werfen auf die
Welt, in welcher diese Geistlichen lebten. Denn man wird deren Verhalten nur dann einigermaßen
adäquat beurteilen können, wenn man die zeitüblichen Einstellungen und Verhaltensweisen
entsprechend in Rechnung stellt.

Wer Gefühle und Gewohnheiten der Menschen des 16. Jahrhunderts aufmerksam studiert,
der wird beim Vergleich mit der heutigen Zeit ganz erhebliche Unterschiede feststellen.

So treffen wir in jener Epoche allenthalben auf ein spontanes und urkräftiges Herausbrechen
der Gefühle, wohingegen im zivilisierten Mitteleuropa des 20. Jahrhunderts Zurückhaltung
und Selbstkontrolle das Bild prägen.

Verdeutlicht sei dies an Beispielen der Freude einerseits und des Jähzorns andererseits. Die
leichte Fähigkeit, sich ganz unvermittelt zu freuen und sich zu begeistern, äußert sich sehr augenfällig
bei Prozessionen und Umzügen sowie bei Festlichkeiten und Schaustellungen jeder
Art - die Zuschauenden hopsten, tanzten und juchzten, sie warfen sogar ihre Hüte vor Freude
hoch in die Luft6.

Auf der Gegenseite erleben wir einen entsprechenden Hang zu gewaltig eruptiven Zornesausbrüchen
. Schon bei nichtigen Anlässen fielen derbe und kränkende Worte - als tödlich beleidigend
galten schon für uns so harmlose Wörter wie »Schelm« oder »Bube«.

Es folgten jählings Handgreiflichkeiten, und sodann war man stracks mit der Waffe zur

4 Braun (wie Anm. 1), S. 97. - Ingelfinger (wie Anm. 2), S. 50.

5 Dies ergibt sich aus dem bei Ingelfinger (wie Anm. 2), S. 50 Anm. 36 zusammengestellten Zahlenmaterial
.

6 Gustav Schnürer: Kirche und Kultur im Mittelalter Bd. 3. Paderborn 1925, S. 248. - Ludwig Andreas
Veit/Ludwig Lenhart: Kirche und Volksfrömmigkeit im Zeitalter des Barock. Freiburg/Br. 1956, S. 87. -
Eine überreiche Fülle anschaulicher Beispiele hierfür in: Hermann Watzl (Hg.): Flucht und Zuflucht.
Das Tagebuch des Priesters Balthasar Kleinschroth aus dem Türkenjahr 1683 (Forschungen zur Landeskunde
von Niederösterreich Bd. 8). Graz/Köln 1956.

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