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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0073
Der süddeutsche Weltklerus im 16. Jahrhundert

zwar im Geruch dieser Verfehlung, doch wiegen die Indizien etwas weniger schwer - es handelt
sich um Verdächtigungen und Gerüchte von dritter Seite29.

Im Vergleich hierzu erweisen sich die Mängel auf dem Gebiete der Amtsführung als wenig
erheblich: Jeder sechste zeigte elementare Wissenslücken, doch erscheinen lediglich zwölf von
530 wirklich für den Kirchendienst völlig ungeeignet30.

Dergestalt war es nicht ausgeschlossen, daß die gottesdienstliche Handlung zu einem unwürdigen
Possenspiel geriet, doch konnte der Visitator nur vereinzelt Fälle dieser Art ausmachen
. Selten auch vernahm der bischöfliche Beauftragte Klagen über das Unterlassen der
Amtspflichten31.

Wenn man alle diese Mängelpunkte zusammennimmt, so ergibt sich folgendes Bild: Zwei
Fünftel der Eichstätter Geistlichkeit war mit ganz erheblichen Fehlern behaftet. Auf der Haben
-Seite steht ein weiteres Fünftel, das keinerlei Makel aufwies, weder in der Lebensführung
noch bei den Amtspflichten. Bei einem vierten Fünftel zeigen sich nur leichte Unzulänglichkeiten
, wie beispielsweise das Fehlen einer Weiheurkunde, zu leises Sprechen bei der Predigt
oder das Gerücht eines möglichen Verdachts eines Zölibatsverstoßes32.

Dieses keineswegs ungünstige Bild wirkt noch gefälliger, wenn man das Urteil der Laien
berücksichtigt. Den Unebenheiten in der Lebensführung maßen sie kaum Bedeutung bei;
größten Wert hingegen legten sie auf die regelmäßige Feier der Heiligen Messe wie auch auf
die Benediktion der Saaten, auf das Abhalten von Flurprozessionen und auf die Verehrung der
Wetterpatrone, welch letztere im Bistum Eichstätt sich keiner kirchenamtlichen Anerkennung
erfreuen durften33.

Summa summarum vermittelt das Eichstätter Visitationsprotokoll beileibe nicht den Eindruck
, die Kirche sei am Vorabend der Reformation von Krisen geschüttelt und dem Zusammenbruch
nahe gewesen.

Verlassen wir nun das Jahr 1480 und wenden uns der einzigen aussagekräftigen Visitationsquelle
zu, die aus der Zeit zwischen Reformation und Tridentinum bekannt ist34. Es geht um
die große bayerische Visitation der Jahre 1558 bis 1560, deren Freisinger Schlußredaktion seit
1986 in einer wissenschaftlichen Edition vorliegt35. Hinsichtlich ihres Informationsgehalts
kann man diesen Text durchaus neben das Eichstätter Protokoll stellen.

Schon eine erste oberflächliche Lektüre läßt erkennen, daß sich an der Art der Mängel beim
Klerus nichts geändert hatte. In einigen Punkten dürfte deshalb ein Vergleich möglich sein.

Beginnen wir mit Kleidung und Tonsur: Jeder zwanzigste Geistliche im Bistum Freising
trug um 1560 ungebührliche Kleidung36, weit weniger also als im Bistum Eichstätt achtzig
Jahre zuvor. Dagegen fand der Alkohol in Freising ähnlich viele Freunde wie in Eichstätt;
Streitsucht und weltliche Tätigkeiten sind gleicherweise in Übung37, und ebenso steht es mit
dem Konkubinat. Die Eichstätter und Freisinger Zahlen liegen hierbei merklich auseinander -

29 Ebd. S. 226-228.

30 Ebd. S. 230.

31 Ebd.

32 Ebd. S. 231-232.

33 Ebd. S. 235-236.

34 Das von Paul Mai edierte Regensburger Visitationsprotokoll von 1526 (in: Beiträge zur Geschichte
des Bistums Regensburg 21 [1987] S. 23-314) bietet wesentlich weniger Sachaussagen zur Amts- und Lebensführung
des Klerus als das Regensburger Protokoll von 1508 und kann deshalb in diesem Zusammenhang
übergangen werden.

35 Anton Landersdorfer: Das Bistum Freising in der Bayerischen Visitation des Jahres 1560 (Münchner
Theologische Studien, I. Historische Abteilung, 26. Bd.). St. Ottilien 1986. Vgl. auch Reiner Braun:
Die bayerischen Teile des Erzbistums Salzburg und des Bistums Chiemsee in der Visitation des Jahres 1558
(Studien zur Theologie und Geschichte Bd. 6). St. Ottilien 1991.

36 Landersdorfer (wie Anm. 35), S. 101.

37 Ebd. S. 102.

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