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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0120
Ute Weidemeyer-Schellinger

das streng. Es sind auch Ausschreitungen vorgekommen, aber so wie hier in Burladingen, das
hat's bei uns nicht gegeben«39.

Natürlich treffen diese Aussagen in einer solch verallgemeinernden Form nicht zu, sie widersprechen
der Realität der deutschen Okkupationspolitik in Frankreich, stellen eine beschönigte
Erinnerung dar, um das eigene Verhalten ins rechte Licht zu rücken.

Die >gefilterten< Erinnerungen der Männer kontrastieren mit den realitätsnahen Aussagen
der Frauen. Diese Tatsache läßt sicher nicht auf eine geschlechtsspezifisch unterschiedliche
Erinnerungsweise von Frauen und Männern schließen, vielmehr ist die Rekonstruktion der
Männer, die als Soldaten diese Taten miterlebt haben, wohl eher ein Versuch der Relativierung,
der Verleugnung, des Projizierens auf andere und damit eine Form der Schuldzuweisung.

2.1. »JEDERMANN WUSSTE, DER KRIEG IST ENDGÜLTIG VERLOREN« -
BURLADINGEN WENIGE WOCHEN VOR KRIEGSENDE

Die Lebensverhältnisse und die Stimmung der deutschen Bevölkerung in den Städten und Gemeinden
waren wenige Wochen vor Kriegsende von unterschiedlichen Ereignissen und Empfindungen
, insgesamt von einer großen Unsicherheit, geprägt. Der Angst der Bewohner vor
einem Krieg in der Heimat, vor dem ungewissen Verhalten der französischen Besatzer, stand
die Hoffnung und Erleichterung gegenüber, daß die nationalsozialistische Gewaltherrschaft
und der Krieg bald ein Ende haben würden.

2.1.1. »MAN HAT GEDACHT, JETZT KOMMT ES NOCH RICHTIG AUF UNS ZU«

Für viele Menschen wird der bevorstehende Einbruch des Krieges in ihre Heimat als wichtiger
Einschnitt erinnert. Der Krieg schien bisher weit entfernt zu sein, jetzt wurde seine unmittelbare
Nähe auch durch die vielzähligen Fliegerangriffe, in ländlichen Gegenden oft durch das
Überfliegen der Gebiete, bewußt.

Heimat stellte keinen Schutz mehr vor dem Krieg dar, die Zerstörung, die seit 1933 auch
von hier ausgegangen war, kehrte zurück. »Und jeder war froh, daß jetzt alles vorbei ist. Man
hat ja gewußt, daß sie jetzt kommen. Man hat ja gewußt, jetzt ist der Krieg so nahe hier, man
hat's ja schießen hören. Jetzt war der Krieg sogar hier daheim«40.

Für den Autor des Burladinger Heimatbuches setzte das »heimatliche Kriegsgeschehen«41
bereits im Jahr 1941 ein; am 9. November 1944 fiel auf der Gemarkung Burladingen aufgrund
schlechter Verdunkelung, so die Pfarrchronik, die erste Fliegerbombe, durch deren Luftdruck
»viele Fensterscheiben zersplitterten und einige Schornsteine einfielen«42. Im Frühjahr 1945
steigerte sich das Überfliegen feindlicher Flugzeuge zu einem Ausmaß, daß es zu »einer nervenzerrüttenden
Belastung für die Bewohner«43 wurde.

Die Burladinger Bevölkerung konnte vor Fliegerangriffen in eigens erstellten Luftschutzkellern
sowie einigen öffentlichen Luftschutzräumen Schutz suchen, ohne jedoch die Garantie
einer besonderen Sicherheit zu haben. »Im Untergeschoß der damaligen Schule war ein Luftschutzkeller
und da hat man vor die Fenster einfach Betonklötze hingestellt. Die hat man seinerzeit
speziell als Abdichtungen für Kellerfenster gemacht. Dort unten drin waren die Luftschutzräume
für die Schüler. Aber einen Wert hätte es keinen gehabt. Wenn da eine Granate
zum Fenster hinein wäre, mit den Holzböden wäre alles kaputt gewesen. Aber auf jeden Fall
ein besserer Schutz, als wenn sie in den Klassenzimmern gewesen wären. Der Keller am
Brucksteig existiert ja auch noch. Es geht da in den Hang hinein und dann, ich weiß nicht wie-

39 Interview mit Herrn H. am 16.5.1991.

40 Interview mit Frau B. am 18.2.1991.

41 Burladinger Heimatbuch, S. 113.

42 Ebd. S. 114.

43 Ebd. S. 113.

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