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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0131
»Es war wie überall, eben kleiner« - Französische Besatzung in Burladingen (1945-1948)

der aufgeräumt, was er zum Aufräumen gehabt hat. Abzeichen und alles mögliche, alles nichts
wie weg. Vergraben und aufgeräumt und in den Wald geschmissen. Wir haben kein Adolf-Hitler
-Bild gehabt, das mußte man nicht haben«93. »Die sind gleich weg gewesen, jeder hat sein
Hitlerbild verschwinden lassen. Der, der eines gehabt hat. Ich meine, die Wirtschaften haben
auch eines haben müssen, in der >Linde< war auch eines. Die werden verbrannt worden sein oder
versteckt. >Mein Kampf< haben wir auch noch, ich glaube, der war versteckt«94. »Öffentlich ist
gar nichts passiert. Man hat auf einmal nichts mehr gesehen. Das hat wahrscheinlich jeder für
sich verschwinden lassen, wenn er etwas gehabt hat. In meinem Elternhaus war nichts«95.

Keineswegs unbedingt und ausschließlich für Burladingen charakteristisch ist die Erkenntnis
: Wird wirklich einmal das Verstecken von NS-Symbolen erinnert, findet ein Projizieren
auf andere, in diesem Fall auf die Nachbarn, statt. Keine Anklage, sondern ausschließlich eine
Feststellung! »Das Zeug ist verschwunden, jeder hat seine Sachen verschwinden lassen. Zum
Beispiel haben wir auch einmal, dort wo wir jetzt wohnen, umgebaut. Und als man den Garten
umgegraben hat, ist vom Nachbarn - das war ein ordentlicher Nazi - eine ganze Handvoll
solcher Naziabzeichen herausgekommen. Das hat er alles im Garten vergraben. Aus Angst hat
er sie da drin gelassen, damit niemand wissen sollte, daß er ein Nazi war. Die Tante, die damals
dort gewohnt hat, ist alleine gewesen, und dann hat der Nachbar wahrscheinlich gedacht, der
Frau kann ich es eingraben. Aber das war eine ganze Handvoll, da kann ich mich noch genau
erinnern, eines habe ich noch«96.

Ein Burladinger erinnert sich in diesem Zusammenhang an eine >Geschichte<, die sich im
lokalen Bereich ereignet hat. »Da hat man gar nichts mehr gehabt. Wir haben auch ein Hitlerbild
im Saal gehabt, da hat man oben auf der Bühne ein großes Bild mit dem Hitler haben müssen
. Dann hat's mein Vater auch verschwinden lassen. Ich weiß nicht genau, was er damit gemacht
hat. Er habe es so gut versteckt, er habe es nicht mehr gefunden, hat er gesagt. Und genauso
hat er erzählt, daß er eine Fahne hinter den Schrank gelegt hat oben in seiner
Wohnstube. Jetzt kommen da die Marokkaner herauf, nachdem sie einmarschiert sind, und
gucken in den Schrank. Dann haben sie die Fahne genommen, haben sie oben auf dem Boden
ausgerollt und sind auf der Hakenkreuzfahne herumgetappt. Mein Vater hat die Fahne schnell
genommen, zusammengerollt und auf die Seite gelegt«97.

Die historischen Quellen verdeutlichen ebenso wie die Erinnerungen der Zeitzeugen/innen
, daß die Burladinger die Besetzung mit gemischten Gefühlen erwartet haben: einerseits
Erleichterung, daß bald alles vorbei sein würde, andererseits Angst vor den fremden Besatzern
. Die meisten haben sich im Keller verkrochen und sind erst wieder herausgekommen, als
die Franzosen die Gemeinde eingenommen hatten.

2.2. »DIESER TAG WIRD ALLEN BURLADINGERN FÜR IMMER IM GEDÄCHTNIS
BLEIBEN« - EINMARSCH DER FRANZOSEN AM 24. APRIL 1945

Im April 1945 wurde Südwürttemberg von den vom Schwarzwald her vorrückenden französischen
Truppen, darunter zahlreichen marokkanischen Regimentern, besetzt. Es war für die
Bevölkerung eine große Enttäuschung, daß die feindlichen Truppen, die von den meisten
wenn nicht als Befreier, so doch als Beendiger des Zweiten Weltkrieges erwartet wurden,
zunächst neue Schrecken und Verluste brachten.

Deutschland, das 140 Jahre keinen Krieg im eigenen Land erlebt hatte, mußte erfahren, daß
er auch im 20. Jahrhundert nichts von seinen Greuel verloren hatte.

93 Interview mit Herrn D. am 9.4.1991.

94 Interview mit Frau B. am 18.2.1991.

95 Interview mit Herrn G. am 29.4.1991

96 Interview mit Frau E. am 15.5.1991.

97 Interview mit Herrn H. am 16.5.1991

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