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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0132
Ute Weidemeyer-Schellinger

Die Franzosen, die die Teilnahme Frankreichs an der alliierten Besetzung Deutschlands
auch »als postwendende Antwort auf die mehr als vierjährige deutsche Besatzungsherrschaft
in ihrem Land«98 verstanden haben, zeigten bereits am Tag ihres Einmarsches in den Städten
und Gemeinden ihrer Besatzungszone, daß sie sich einen Ausgleich für die erlittenen Schäden
zu holen gedachten.

Ebenso wie Frankreich von den Deutschen überfallen und ausgeplündert worden war, verdeutlichten
die französischen Besatzer durch eine Vielzahl von Ubergriffen auf die deutsche
Bevölkerung und deren Eigentum, wer nun >das Sagen< im Land hatte. »Am Morgen des 24.
April, des Festes unseres Kirchenpatrons, des heiligen Fidelis, um sechs Uhr begann der Artilleriebeschuß
von Burladingen. (...) Die Beschießung dauerte circa 15 bis 20 Minuten. Tote gab
es nicht. Es schien, als ob der heilige Fidelis das Bombardement auf seine Gebäude konzentrierte
. Gegen sieben Uhr morgens rückten die ersten Panzerwagen und Spähwagen in das
Dorf ein. Sie kamen gleichzeitig von Stetten, Ringingen, vom Mettenberg und bald auch von
Hausen her. Nach Durchsuchung aller Straßen und Häuser und Requirierung fahrbarer Autos
fuhren die Panzer in Richtung Gauselfingen und Hermannsdorf weiter. Unter den ersten Panzertruppen
befand sich ein Kapitän, der Geistlicher und im Zivilberuf Weißer Vater war. Er
machte gleich eine Besuchung in der Kirche und fragte den Pfarrer, ob es auf deutscher Seite
Tote gegeben hätte, sie hätten sieben Tote beim Angriff gehabt. Er sagte weiter, daß die
nachrückende Infanterie hauptsächlich aus Marokkanern bestände, die zwei Tage schlimm
hausen, dann aber weiterziehen würden. Man solle den Frauen und Männern sagen, sie sollen
ihre Töchter einsperren und wohl behüten«99.

Der Ausschnitt aus der Pfarrchronik dokumentiert, daß den Burladingern vorausgesagt
worden war, daß in den ersten Tagen der Besatzung Übergriffe auf die Zivilbevölkerung erfolgen
werden. Dies war dann auch tatsächlich der Fall und wird von den Zeitzeugen/innen als
eine »schlimme Zeit«100 erinnert. In der Erinnerung bestätigen die Burladinger/innen jedoch
keineswegs, daß ihnen das Verhalten der Besatzer angekündigt worden sei. Hatte der Pfarrer
aufgrund der wirren Verhältnisse beim Einmarsch keine Gelegenheit, diese Warnung an die
Bevölkerung weiterzugeben, oder hat er die Ankündigung nicht ernst genommen?

Weshalb taucht diese Information ausschließlich in den beiden historischen Quellen
Pfarrchronik und Heimatbuch auf, während alle Informanten/innen verneinen, vom Verhalten
der Marokkaner vorher gewußt zu haben?

»Man hat gar nichts gewußt, auch nicht, daß man sich da verstecken muß, daß es Vergewaltigungen
gibt«101. »Von den Franzosen hat man das auch nicht erwartet. Die haben das auch anscheinend
gar nicht so gemacht, aber die anderen, die Marokkaner«102. »Das hat man nicht gewußt
, weil eben auch noch nie jemand da war bei uns. Weil es auch das erste Mal war, daß der
Feind Deutschland überrollt hat. Die Franzosen und die Elsässer, die sind das ja gewohnt, da
war man ja 70/71 und auch 14/18 drüben, und Belgien hat man auch besetzt. Jetzt in Deutschland
hereingekommen wie dieses Mal ist der Feind nie. Das war das erste Mal. Das haben auch
die älteren Generationen, so meine Großmutter und meine Mutter gesagt. So war es noch nie,
daß der Feind so hereingekommen ist und so gehaust hat. Das hat niemand gewußt, überhaupt
niemand gedacht. Jeder hat gedacht, Gott sei Dank ist der Krieg aus und jetzt wird's viel besser.
Jetzt wird alles gut werden«103. »Vielleicht hat sich das ja herumgesprochen von dort, wo sie

98 Klaus-Dietmar Henke: Politik der Widersprüche. Zur Charakteristik der französischen Militärregierung
in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. In: Claus Scharf, Hans Jürgen Schröder (Hg.):
Die Deutschlandpolitik Frankreichs und die französische Zone 1945-1949. Wiesbaden 1983, S. 53.

99 Chronik der katholischen Pfarrgemeinde Burladingen.

100 Interview mit Frau B. am 18.2.1991.

101 Ebd.

102 Interview mit Herrn A. am 22.1.1991.

103 Interview mit Frau F. am 16.4.1991.

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