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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0133
»Es war wie überall, eben kleiner« - Französische Besatzung in Burladingen (1945-1948)

schon waren. Aber gewußt hat man's nicht. Man hat ja auch die Situation noch nie gehabt. Nein,
im voraus hat man nichts gewußt. Man hat nur gewußt, daß Besatzungstruppen kommen. Aber
daß es so schlimm herauskommt mit den Marokkanern, das hat man gar nicht gedacht, daß so
etwas auf einen zukommt«104. »Nein, damit hat man gar nicht gerechnet. Man hat nur gewußt,
sie kommen näher her. Das einzige war das, man hat gedacht, jetzt geht der Krieg aus, jetzt ist es
vorbei, das ist das Letzte. Aber damit hat man nicht gerechnet, daß es so kommt«105.

»Man hat doch nicht gedacht, daß so ein gebildetes Volk, wie die Franzosen eines haben
sein wollen, daß die so etwas machen«106.

Obwohl die Burladinger Informanten/innen einstimmig die Meinung vertreten, »im voraus
hat man nichts gewußt«107, bleibt die Frage offen, ob nun die Sichtweise der historischen
Zeugnisse oder diejenige der Einnerungen der damaligen Realität entspricht.

Weshalb sollten die Zeitzeugen/innen heute eine solche Warnung des Pfarrers leugnen,
wenn sie tatsächlich an die Bevölkerung weitergegeben worden ist? Obwohl nur eine begrenzte
Anzahl von Schlüsselerlebnissen, von besonderen Bildern im Gedächtnis behalten
wird, würde diese bedeutsame Information des Pfarrers zweifelsohne dazugehören und heute
eventuell sogar als ein Burladinger Spezifikum erinnert werden. Manche historische Quelle -
vor allem die zum Teil vom Pfarrer verfaßte Chronik der katholischen Pfarrgemeinde - stellt
eben auch nur eine subjektive Betrachtungsweise dar und muß, ebenso wie die Erinnerungen
der Informanten/innen, nicht zwangsläufig >die Realität« widerspiegeln. Andererseits hat der
Pfarrer die Bevölkerung damals vielleicht vor den Marokkanern gewarnt, diese hat die
Ankündigung jedoch nicht ernst genommen; die Folgen waren die Ubergriffe auf die Zivilbevölkerung
. In diesem Fall würde heute natürlich kein/e Burladinger/in zugeben, man habe
den Informationen des Pfarrers keinen Glauben geschenkt.

Der Autor des Burladinger Heimatbuches bestätigt und vervollständigt die Ereignisse
beim Einmarsch der Franzosen in Burladingen. »Punkt sechs Uhr in der Frühe des 24. April
eröffneten die Franzosen vom Ringinger Tale und vom Mettenberg aus das Feuer auf Burladingen
. Ein aufmerksamer Beobachter soll gegen 270 Schüsse gezählt haben. Nach etwa Dreiviertelstunden
hörte das Schießen plötzlich auf. Der Heftigkeit der Kanonade nach hätte man
vermuten können, der Ort brenne an allen Ecken und Enden, aber nichts von dem war zu sehen
. Nur die Fideliskirche, die alten Fabrikgebäude Fauler, Sauter und Ambrosius Heim und
einige andere Häuser zeigten mehr oder weniger deutliche Spuren der Beschießung. Beträchtlicher
Schaden wurde nicht angerichtet.

Bald nach der Feuereinstellung erfolgte der Einmarsch der Franzosen in Burladingen mit
vielen Panzern und gepanzerten Fahrzeugen. Auf dem freien Platz bei der Wirtschaft zum
>Schwanen< und den Kaufhäusern Gunkel und Josef Scheu hielt die Spitze. Der Bürgermeister
wurde gerufen und alsbald begab sich der leitende Offizier mit ihm aufs Rathaus und eröffnete
ihm, daß er ihn dafür verantwortlich mache, daß nichts gegen die französische Wehrmacht
unternommen werde. Beim ersten derartigen Versuche würde er mit 20 Geiseln erschossen
werden, außerdem mußte die Gemeinde innerhalb zwei Stunden 200.000 Reichsmark deponieren
. Wenig später überfluteten französische, marokkanische und tunesische Truppen die
Straßen und Gassen unseres Ortes.

Offiziere begaben sich aufs Rathaus und trafen die ersten Anordnungen, die sofort durchgeführt
werden mußten: sämtliche Urlauber und Militärpersonen mußten sich innerhalb zwei
Stunden auf dem Rathaus melden, alle Waffen, Fotoapparate, Rundfunkgeräte, Landkarten
und Meßtischblätter mußten sofort auf dem Rathaus abgeliefert werden«108.

104 Interview mit Herrn G. am 29.4.1991.

105 Interview mit Frau E. am 15.5.1991.

106 Interview mit Herrn H. am 16.5.1991.

107 Interview mit Herrn G. am 29.4.1991.

108 Burladinger Heimatbuch, S. 116/17.

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