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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0134
Ute Weidemeyer-Scheüinger

Zwei Burladinger Bürger sind den Franzosen mit weißen Fahnen entgegengegangen und haben
eine kampflose Ubergabe der Gemeinde erreicht. Die Erinnerungen an diese Ereignisse beim
Einmarsch, die für die Bevölkerung Schlimmeres verhindert haben, sind bei den Gesprächspartnern
/innen heute noch in detaillierter Form präsent und verdeutlichen, daß solch einschneidende
Erlebnisse - über 45 Jahre nach dem Ereignis - im Zentrum der Erinnerung stehen.

Durch die Intensität und Konkretheit der Erinnerungen wird dem Zuhörer der Eindruck
vermittelt, die damaligen Geschehnisse gewissermaßen miterlebt zu haben. »Der Betz und der
Scheu haben gesagt, es sei kein Widerstand. Die weißen Fahnen waren das Zeichen dafür, daß
die (Franzosen, d.V.) nicht beschießen. Sonst hätten die ja angefangen mit direktem Beschuß,
und dann hätte es weiß Gott was gegeben«109. »Hier bei uns hat's keine Gefallenen gegeben.
Die sind ja hinaus mit der weißen Fahne, der Franz Betz und der Max Scheu. Die zwei sind denen
mit einer weißen Fahne entgegengegangen. Und dann konnte nichts mehr passieren. Das
war das einzig richtige«110.

Das couragierte Verhalten der beiden Burladinger Männer findet in der heutigen Erinnerung
allgemeine Anerkennung, Bewunderung und Respekt. »Da kann man sagen, da haben sie
das Leben riskiert. Ich habe mir das genau überlegt und ich habe nicht damit gerechnet, daß in
Hausen (Burladinger Nachbargemeinde, d.V.) noch Soldaten waren, als ich an dem Sonntagmorgen
heimgekommen bin. Da mußte ich also gucken, daß ich nicht noch zum guten Schluß
in Hausen mein Leben lasse. Das hätte leicht passieren können«111. »Da sind dann ja auch der
Betz und der Scheu mit der weißen Fahne hinausgelaufen. Parlamentäre haben die im Krieg
geheißen mit der weißen Fahne. Das war schon ein bißchen ein Risiko. Je nachdem, wie der
andere, der Gegner das auffaßt. Wenn der durchdreht, dann erschießt er die Parlamentäre geschwind
«112. »Und nachher beim Einmarsch hat, glaube ich, die Kirche etwas abgekriegt und
zwei Fabriken, aber es sind keine Personen verletzt worden, Gott sei Dank. Das hat ja ganz
anders ausgesehen, wenn man das im Heimatbuch liest. Da muß man also heute noch den Hut
ziehen vor dem Betz und vor dem Scheu. Das war nämlich nicht einfach, denen entgegenzugehen
. Man hat ja gar nicht gewußt, die hätten ja von hinten erschossen werden können von so
Fanatischen. Das war ja das Risiko. Vor den Franzosen hätten sie, glaube ich, keine Angst
mehr haben müssen. Man hat ja gesehen, sie sind mit der weißen Fahne gekommen, das hätte
die bestimmt abgehalten. Aber man hat nicht gewußt, was da noch passiert, was die Eigenen
noch machen. Es hat ja keiner keinem getraut, auch da noch nicht. Das war der gefährlichste
Moment am Schluß wahrscheinlich«113.

Eine Informantin erinnert sich an ihre Gefühle, als ihr Ehemann mit der weißen Fahne losmarschiert
ist und an die Reaktion einiger Burladinger nach der kampflosen Übergabe der Gemeinde
: »Und dann hat man noch Angst haben müssen um meinen Mann. Es waren nämlich
auch noch Leute da, die eine Wut gehabt haben, aber ich meine, damit hat man ja rechnen müssen
, daß sie (die Franzosen, d.V.) hereinkommen. Und man hat gedacht, man kann doch Burladingen
nicht noch zusammenschießen lassen. Ja, es sind auch solche dabeigewesen, die böse waren
. Aber die wären sowieso hereingekommen und es kann sein, sonst wäre es noch viel schlimmer
herausgekommen. (...) Dort oben an der Kirche ist ein bißchen hereingeschossen worden,
diese Ecke, aber sonst ist alles stehengeblieben. Menschen sind auch keine ums Leben gekommen
. Nachher ist es dann doch den meisten recht gewesen, daß es mit dem Einmarsch so gegangen
ist. Nur ein paar, die vergewaltigt worden sind, haben aber das wäre so und so gekommen
«114.

109 Interview mit Herrn A. am 22.1.1991

110 Interview mit Frau B. am 18.2.1991.

111 Interview mit Herrn G. am 29.4.1991

112 Interview mit Herrn H. am 16.5.1991

113 Interview mit Herrn A. am 22.1.1991

114 Interview mit Frau C. am 12.3.1991.

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