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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0136
Ute Weidemeyer-Schellinger

gekommen. Die haben ja Widerstand geleistet, aber in Burladingen hat niemand Widerstand
geleistet«119.

Die Burladinger/innen verbinden den Tag des Einmarsches heute mit der Erinnerung an
die diversen Ereignisse: den Beschuß der Gemeinde, die Einschüsse in verschiedenen Gebäuden
und die Unversehrtheit der Menschen. Ihre damaligen Gefühle, die zweifelsohne von
großer Angst geprägt waren, tauchen in den Erinnerungen kaum auf. Sie scheinen in gewisser
Weise ausgeklammert zu sein, können heute nach der langen dazwischenliegenden Zeitspanne
zwischen Ereignis und Erinnerung eben nicht mehr in der Form präsent sein.

Da man sich größtenteils an Geschehnisse, nicht aber an Gefühle erinnert, die Erinnerung
mit dem heutigen Empfinden, den gegenwärtigen Lebensumständen verbindet, werden die
Geschehnisse beim Einmarsch detailliert geschildert; Gefühle wie »Angst« und »gefährlichster
Moment« treten relativ selten auf. Außerdem belegen Bemerkungen wie »Aber heute
würde man sagen, so schlimm war's nicht«120, »Nach dem Krieg ist auch nicht viel passiert,
Kleinigkeiten«121 und »In der Beziehung ist es Burladingen an und für sich gut gegangen«122
die These, daß die Erinnerungen an die damals undurchsichtigen Verhältnisse am Tag des Einmarsches
heute deutlich harmloser erscheinen und dargestellt werden, als sie sich in der Realität
tatsächlich abgespielt haben.

Ebenso wie die Ereignisse beim Einmarsch in Burladingen beschrieben und erinnert wurden
, spielten sie sich in vielen Gemeinden ab. Sobald eine Gemeinde kampflos besetzt worden
war, »was in diesem Landesteil die Regel war«123, erschienen französische Offiziere im Rathaus
und ließen den Bürgermeister, oder wenn sich dieser abgesetzt hatte, seinen Stellvertreter
die ersten Anordnungen der Militärregierung bekanntgeben. »Vor allem mußten sämtliche
Schußwaffen sowie Foto- und Radioapparate sofort abgeliefert werden, und eine nächtliche
Ausgangssperre wurde für alle Einwohner der Gemeinde verhängt. Für jedes feindliche Verhalten
gegen die Besatzungstruppen wurde die Todesstrafe angedroht«124.

»Das war der erste Aufruf. Es sind sofort alle Radiogeräte, alle Waffen abzuliefern. Also da
stand direkt die Todesstrafe darauf, wenn man das innerhalb einer bestimmten Frist nicht gemacht
hat. Mit den Waffen auf jeden Fall. Ich meine, es sind nicht alle abgeliefert worden, ganz
sicher nicht. Von den Jägern zum Beispiel. Da hat's damals in Hausen (Nachbargemeinde Burladingens
, die zur Gesamtstadt gehört, d.V) schon Jäger gegeben, und man hat gewußt, die haben
wertvolle Gewehre. Aber das mußte ja jeder selbst wissen. Die haben's dann eben gut versteckt
«125. »Es hat einen Aufruf zur Ablieferung gegeben. Meine Eltern haben es nicht gemacht
, wahrscheinlich haben sie unser Radio versteckt. Als ich heimgekommen bin, ist das
Radio hier gewesen. Je nachdem, wie man Angst gehabt hat und wie man den Nachbarn vertrauen
konnte. Das war ja das Problem. Und einen Fotoapparat habe ich geschenkt gekriegt,
der war auch noch da. Damals war der viel wert. Abliefern mußte man alles, Fernrohre und alles
hat man abliefern müssen«126. »Das Radio mußte man abgeben, wenn man's nicht verstecken
konnte«127.

Hinsichtlich der ersten Ablieferungen berichtet eine Interviewpartnerin, daß ihr Vater -
aufgrund unzähliger Denunziationen zu Beginn der Besatzung - sämtliche vor dem Ein-

119 Interview mit Frau H. am 16.5.1991.

120 Interview mit Herrn D. am 9.4.1991.

121 Interview mit Frau C. am 12.3.1991.

122 Interview mit Herrn E. am 15.5.1991.

123 Hans Speidel: Neubeginn von unten. Die Landkreise und Gemeinden. In: Max Gögler, Gregor
Richter (Hg.): Das Land Württemberg-Hohenzollern 1945-1952. Darstellungen und Erinnerungen. Sigmaringen
1982, S. 52.

124 Ebd. S. 52.

125 Interview mit Herrn G. am 29.4.1991.

126 Interview mit Herrn A. am 22.1.1991.

127 Interview mit Herrn H. am 16.5.1991.

124


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