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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0144
Ute Weidemeyer-Schellinger

Eine Informantin erinnert sich, daß sie in ihrem Haus nicht von Marokkanern belästigt
und aus diesem Grund auch anderen Frauen ein sicheres Versteck zur Verfügung gestellt wurde
: »Wir haben Ruhe im Haus gehabt. Ich mußte mich gar nie verstecken. Viele Leute haben
sich ja auf dem Heuboden versteckt und in Höhlen, aber da haben wir gar kein Malheur gehabt
. Es sind dann auch einige Nachbarsfrauen zu uns gekommen, weil sie gewußt haben, daß
es da ruhig ist. Sonst haben sich aber schon viele im Heu versteckt, und auch beim Pfarrer in
der Kirche seien viele gewesen«171.

Eine weitere interessante Möglichkeit, um sich vor den französischen und marokkanischen
Soldaten zu schützen, konkretisiert eine andere Gesprächspartnerin: »Man hat gar keine Möglichkeit
gehabt, um sich zu verstecken, weil die ja die ganzen Häuser durchsucht und alles
durchwühlt haben. Die Frauen haben sich dann alt gemacht, so ein Halstuch umgebunden. Ich
auch. Und so einen alten Trainingsanzug angezogen, damit sie einen nicht gleich als junges
Mädchen erkannt haben. Das hat dann schon genützt. Und die Leute sind dann ja alle hinauf
in den Pfarrsaal, die Mädchen, und haben da Schutz gesucht. Da sind viele hinaufgegangen,
der war ganz voll. Und da sind sie (die Besatzer, d.V.) dann nicht gleich hinein. Da war's dann
ruhiger, da hat dann der Pfarrer schon ein bißchen geguckt. Aber trotzdem, Angst haben alle
gehabt«'72.

Die Verkleidung der jungen Mädchen zu alten Frauen stellte eine in der ersten Besatzungszeit
übliche Form des Selbstschutzes dar - die erstaunliche Phantasie der weiblichen Bevölkerung
trotz beziehungsweise aufgrund vager Verhältnisse eindrucksvoll illustrierend. »Als es
dann wieder ruhiger geworden ist, haben sie mich vom Heuboden wieder heruntergeholt und
dann hat man uns bei meiner Tante als alte Frauen umgekleidet. Man hat von der Oma einen
schwarzen langen Rock und eine Schürze angezogen und ein Kopftuch ganz hinein ins Gesicht
, damit man fast nichts mehr gesehen hat. Und dann haben sie gesagt, so marschiert ihr
durch den Ort! Meine Tante ist mitgelaufen. Und daß ihr ja nicht umherguckt, hat sie gesagt.
Damit man nicht gemerkt hat, daß es junge Mädchen waren, denn groß sind wir damals an
und für sich auch schon gewesen. Dann ist man den Ort hinaus bis in das Haus an der Hauptstraße
, in dem mein Onkel oben drin gewohnt hat. Und da waren wir bis in den Mai hinein
«173.

Es gibt sogar die Erinnerung an eine Burladingerin, der es gelungen ist, einer Vergewaltigung
zu entgehen: »Und die Frau X. hat damals gerade ein kleines Kind gehabt. Ich glaube,
das ist so drei, vier Tage alt gewesen. Sie hat dann später immer erzählt, sie saß im Bett mit dem
Kind im Arm und dann sind die Marokkaner auch hereingekommen. Als sie sie dann gesehen
haben, sind sie wieder gegangen. Aber sie hätte Angst gehabt«174.

Frau E., die gemeinsam mit ihrer Schwester als vierzehn- und neunzehnjährige Mädchen
knapp einer Vergewaltigung entgangen ist, erinnert die damit zusammenhängenden Ereignisse
in Form eines langen Monologs, zum Teil mit sehr leiser Stimme. Ihre Betroffenheit stellt ein
Indiz dafür dar, daß es sich um ein Schlüsselerlebnis in ihrer Biographie handelt: »Über Nacht
waren wir im Keller und am anderen Tag sind wir, meine Schwester und ich, hinters Haus. Da
haben wir am Hang, das hat sich so abgeschrägt, einen Holzschuppen gehabt. Meine Mutter
hat die zwei kleineren Kinder geschnappt und ist über die Wiesen zu unserer Tante in den Zinken
. Und wir zwei sind hinter dem Schuppen mutterseelenalleine verschwunden. Ich war 14
und meine Schwester 19 Jahre. Wie lange wir da so gesessen sind, weiß ich nicht mehr. Auf jeden
Fall haben die dann bei uns auf dem Balkon Geschütze aufgestellt gehabt, was wir aber
nicht gesehen haben, weil wir uns ja versteckt hatten. Und auf einmal marschiert so eine Patrouille
- den kenne ich heute noch, den kann ich mir noch vorstellen -, so ein Marokkaner, so

171 Interview mit Frau H. am 16.5.1991.

172 Interview mit Frau F. am 16.4.1991.

173 Interview mit Frau E. am 15.5.1991.

174 Interview mit Frau F. am 16.4.1991.

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