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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0151
»Es war wie überall, eben kleiner« - Französische Besatzung in Burladingen (1945-1948)

Kultur diese schweren Ausschreitungen der ersten Besatzungszeit zuzutrauen als einem kultivierten
Volk wie den Franzosen, zu dem heute gute nachbarschaftliche Beziehungen gepflegt
werden. In der Erinnerung war auch das Verhältnis zwischen den Franzosen und Marokkanern
keineswegs freundschaftlich, die Marokkaner stellten eigentlich nur eine Kampftruppe
dar und wurden von den Franzosen scheinbar nicht akzeptiert. »Die Marokkaner haben riesige
Angst vor den Franzosen gehabt. Die hätten unter den Augen der Franzosen so etwas (Vergewaltigungen
, d.V) nicht gemacht. Die Franzosen haben die Marokkaner auch so unter der
Knute gehabt. Die Franzosen haben sie verachtet, haben sie regelrecht verachtet und haben sie
das spüren lassen. Die Marokkaner waren für die Franzosen nur Kanonenfutter«205.

»Das sind eben die Hilfsvölker gewesen. Die mußten das machen, was die Franzosen nicht
machen wollten. Die haben sie dann vorgeschickt, um die Dreckarbeit zu machen. Nur gerade
die Dreckarbeiten! Die Marokkaner waren nicht so schlimm, wenn man mit ihnen hat umgehen
können«206. »Die Marokkaner waren mehr die kämpfende Truppe, die Mannschaft, die
einfachen Soldaten. Die haben sie nachher wieder in Kasernen zusammengezogen«207. »Ich
glaube eben, daß da das ganze Volk unterdrückt ist von den Franzosen, daß das einfach die
Untersten sind. Die hat man wahrscheinlich vorgeschoben im Krieg. Ich finde, das ist so, als
wenn man in Afrika die Schwarzen vorschiebt. So wird's da auch sein, das wird ähnlich sein.
Natürlich haben die ein ganz anderes Temperament, und wenn die dann auf die Frauen losgelassen
werden, dann muß man auch deren Temperament sehen. Wenn die dann auf die Frauen
los sind, dann sind die wie wilde Tiere. Ich sehe die nicht als Untermenschen. Ich sehe das
nicht so. Ich sehe sie eher als arme Teufel an, die einfach einmal ihre Freiheit hatten. Die dürfen
einmal zwei Tage auf die Frauen los. Und dann eben noch ihr Temperament. Die haben
doch ein ganz anderes Temperament als unsere Männer«208.

Neben Franzosen und Marokkanern scheint es in Burladingen noch einen dritten Typ von
Besatzern gegeben zu haben, denn ebenso wie das Heimatbuch von »französischen, marokkanischen
und tunesischen Truppen«209 berichtet, erinnert sich eine Gesprächspartnerin an »die
Algier«: »Das waren Franzosen und Marokkaner. Das waren Nette, die Marokkaner. Die waren
beinahe noch netter als die Franzosen. Die Algier sind sehr nette Männer gewesen, Marokkaner
sind ja weniger dabei gewesen. Franzosen und Algier. Aber die waren sehr nett und sind
auch hilfsbereit gewesen. Die Schwarzen sind nach ein paar Wochen wieder gegangen und die
Algier sind länger geblieben«210.

Obwohl mehrere Zeitzeugen/innen ausdrücklich erklärt haben, daß nach den Vergewaltigungen
keine Kinder geboren wurden, gibt es in Burladingen die - jedoch nur in einer Quelle
dokumentierte - Geschichte vom »Brotkindle«: »Es gab allerdings >gewollte Kinder« aus Beziehungen
zwischen Soldaten und Burladinger Frauen. Eines dieser Kinder war das brotkindle
«, das seinen seltsamen Namen dem Umstand verdankte, daß sein Vater, ein Marokkaner
, die Bevölkerung mit Brot versorgte«211.

Auch wenn diese spezielle Geschichte in Burladingen heute kaum Bestätigung findet, weisen
die Informanten/innen darauf hin, daß es »das« schon gegeben hat. »Vom Brotkindle weiß
ich nichts, aber vom Aussehen her ist es von einem Marokkaner. Vom Vater kann es nicht gewesen
sein, der hat ganz anders ausgesehen. Also, in (...) ist eine ganz Dunkle. Das ist, glaube
ich, auch eine, so'n dunkler Typ. Also das gab's schon, aber ob die Brot gebraucht haben? Ich

205 Interview mit Herrn A. am 22.1.1991.

206 Interview mit Herrn H. am 16.5.1991.

207 Interview mit Herrn G. am 29.4.1991.

208 Interview mit Frau B. am 18.2.1991.

209 Burladinger Heimatbuch, S. 117.

210 Interview mit Frau H. am 16.5.1991.

211 Was für eine Jugend. Zehn Jahre offene Jugendarbeit in Burladingen.

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