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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0152
Ute Weidemeyer-Schellinger

glaube es nicht«212. »Also naheliegen tut es. Es hat eben wahrscheinlich auch gute Marokkaner
gegeben«213. »Klar gab's das. Da sind einige hier«214.

»Natürlich hat's da Kinder gegeben. Die Frauen, die - man konnte dann ja abtreiben lassen
- sind nach Tübingen, die, die es wollten. Aber die, die nicht clever gewesen sind und die, dies
nicht gesagt haben, es nicht wahrhaben wollten und sich nicht getraut haben, also schüchtern
waren, die haben dann doch ihre Kinder bekommen. Und da sind dann ja auch nachher die
Männer wiedergekommen, und dann war da ein Kind da. Das war ja auch nicht gerade so angenehm
, da gab's sicher auch Auseinandersetzungen in der Ehe. Das sieht man dem einen auch
an, der ist von einem Marokkaner. Das sieht man doch von weitem. Der Vater ist dann auch
heimgekommen, und dann war eben ein Kind da. Die Frau war ziemlich zurückhaltend. Die
wollte das dann einfach nicht zugeben oder wußte vielleicht auch nicht, daß man das (Schwangerschaftsabbruch
, d.V.) machen kann. Das war ja auch peinlich, wenn so etwas passiert«215.

Eine andere Erinnerung verdeutlicht, daß die Vergewaltigungen in der Regel in der Öffentlichkeit
nicht publik wurden. »Es ist vielen Frauen schlechter gegangen, aber man hat's nur so
vereinzelt gehört. Das hat man einfach nicht so herausgelassen. Das wollte niemand so wissen
lassen. Das ist dann gar nicht so an die Öffentlichkeit gekommen. Dann hat man wohl immer
einmal wieder geschwätzt, die hat gehen müssen und jene hat gehen müssen. Man hat auch
nichts gehört, daß nach den Vergewaltigungen ein Kind auf die Welt gekommen wäre oder so.
Da hat man gar nichts gehört. Die Frauen konnten sich auf jeden Fall an einen Arzt wenden
«216. »Die Vergewaltigten haben damals alle zum Doktor müssen. Da hat's damals schon
Spritzen gegeben. Die haben alle hier beim Arzt in Burladingen eine Spritze gekriegt, damit es
keine Kinder gegeben hat. Da hat's geheißen, wer vergewaltigt worden ist, kann zum Doktor
kommen. Also ich glaube, von den Vergewaltigungen von 45 hat's keine Kinder gegeben«217.

Die Frage nach Beziehungen zwischen Burladinger Frauen und französischen Soldaten
wird von den Zeitzeugen/innen differenziert betrachtet: »Sicher, das hat es nachher gegeben.
Es hat ja auch Eheschließungen gegeben. Da war man bestimmt auch ungerecht den Frauen
gegenüber und hat nicht daran gedacht, daß das jeder passieren kann. Ich meine, wenn man
hinterher sagen konnte, die hat sich freiwillig mit dem eingelassen und so, dann hätte man
auch stillschweigen können. Aber über die, die zwangsweise vergewaltigt worden sind mit
Folgen, und es vielleicht später haben sogar die Kinder noch merken lassen, das ist unchristlich
. Aber ich glaube, da hat sich jetzt schon ein bißchen etwas gewandelt bei den jungen Leuten
, die sind schon anders. Früher war man da schon arg engstirnig und stur und gehässig und
alles. Leider!«218

Während dieser Informant das Verhalten der Frauen zu verstehen sucht, verurteilen alle
anderen Gesprächspartner/innen die Beziehungen zwischen Burladinger Frauen und französischen
Besatzern rigoros. Sicherlich erhofften sich manche Frauen Vorteile aus ihrem Verhältnis
zu einem Franzosen, andererseits scheint das Erinnerungsvermögen der Zeitzeugen
/innen wirkliche Liebesbeziehungen vollkommen auszuklammern. Und vor allem die
Erinnerung, daß die vergewaltigten Frauen »dann nachher meistens noch Franzosen gehabt
haben«219, scheint - zumindest aus heutiger Sicht - unverständlich und kaum nachvollziehbar.

Eine solche Rekonstruktion enthält sicher subjektive Deutungen und Bedeutungen, die
fest in den dörflichen Wert- und Verhaltensnormen verankert sind. Als Mitglied einer Dorfge-

212 Interview mit Frau B. am 18.2.1991.

213 Interview mit Herrn A. am 22.1.1991.

214 Interview mit Herrn E. am 21.3.1991.

215 Interview mit Frau F. am 16.4.1991.

216 Interview mit Frau H. am 16.5.1991.

217 Interview mit Herrn E. am 15.5.1991.

218 Interview mit Herrn A. am 22.1.1991.

219 Interview mit Frau E. am 15.5.1991.

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