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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0158
Ute Weidemeyer-Schellinger

Pfarrer Richard Biener dokumentiert in der Pfarrchronik, daß die Burladinger Bevölkerung
in den ersten Wochen der französischen Besatzung vergeblich auf den Frieden in der
Heimat gewartet hat: »Nachdem die kämpfende Truppe, eine marokkanische Division, weitergezogen
war, war in der dritten Nacht nur noch eine Sanitätsabteilung hier. (...) Der über 80
Jahre alte Schuhmacher X.Y., wohnhaft im Zinken, wo die Marokkaner besonders furchtbar
gehaust hatten, setzte sich zur Wehr, als sie in sein Haus eindringen wollten. Der kindisch gewordene
Mann wußte nicht, was er tat und welche Folgen sein Widerstand haben werde. Die
Soldaten schlugen ihn vor der Tür seines Hauses blutig. Ein vorbeifahrendes Auto nahm ihn
zum Verbinden mit in die >Linde< und brachte ihn wieder zurück. Er starb am Abend des
25. April. In der Fabrik Eugen Mayer war schon lange vorher ein Marine-Bekleidungsdepot
untergebracht. Als die Gefahr der Besetzung heranrückte, wurden aus diesem Depot Schuhe,
Koffer und Bekleidungsstücke ausgegeben. Ebenso teilte Fabrikant Alois Mayer aus dem dort
verlagerten Depot Tabak aus. So entstand bei der Bevölkerung vielleicht die Ansicht, daß auch
die übrigen Fabriken nach ähnlichem Muster verfahren müßten.

Als nun französische Truppen am 26. April in die Fabrik Fauler eindrangen, holten auch
hiesige Einwohner Wäsche, Wolle und alles, was ihnen wertvoll erschien. Leider sind die Begriffe
von Privateigentum und Heeresgut nicht mehr auseinandergehalten worden. Der Anblick
der Fabriken war daher trostlos.

In den ersten Tagen der Besatzung wurden zahlreiche deutsche Gefangene durchs Dorf geführt
. Sie hatten sich in den Wäldern versteckt gehalten, bis der Hunger sie zur Ubergabe
zwang.

Der Sonntag, 29. April, verlief ruhig, trotzdem noch viele Marokkaner hier waren. Am
Sonntagabend waren fast alle Truppen verschwunden.

Der Pfarrer machte am Nachmittag des 30. April bei den Pfarrkindern in Hermannsdorf
Besuch. Einige Häuser hatten dort schon am 20. April durch Beschießung der Tiefflieger
Schaden erlitten. Die Besetzung am 24. April verlief ähnlich wie in Burladingen. Zwei Frauen
klagten, daß sie vergewaltigt worden seien. An Zerstörung durch Beschuß war nichts zu sehen
. Die ganze Gemeinde schlief im Schulhaus, bewacht durch einen ehemaligen Kriegsgefangenen
, der bei X.Y. gearbeitet hatte.

Da Bürgermeister Alois Ritter seines Alters wegen abdankte, setzte der Gemeinderat als
Stellvertreter Lehrer Widmaier ein. Die Genehmigung durch die Franzosen ist abzuwarten, da
Widmaier auch Pg. war. Da wir so jämmerlich von den Würdenträgern der nationalsozialistischen
Partei betrogen worden sind, schimpft man begreiflicherweise alle und alles, was mit der
Partei etwas zu tun hatte«237.

Die historische Quelle verweist chronologisch auf die herausragenden Ereignisse der anfänglichen
Besatzungszeit und dokumentiert, daß diese Zeit von der Bevölkerung tatsächlich
als eine Verlängerung des Krieges empfunden wurde. »Am 3. Mai durcheilte in den frühen
Morgenstunden das Gerücht das Dorf: Wir bekommen wieder Einquartierung, es kommen
wieder Schwarze. Allgemeine Aufregung befiel besonders die Frauen. Gegen zehn Uhr kamen
englische Hilfsvölker; circa 800 Mann mit Pferden waren in den Scheunen untergebracht und
nächtigten vom 3. auf den 4. Mai in Burladingen. Im Kinderhaus waren in dieser Nacht wieder
etwas mehr als 100 Personen, Frauen, Mädchen und Kinder. Auch im Pfarrhaus war der erste
Stock wieder mit circa 40 Personen belegt. Die Araber mit schwarzen Bärten, dunklen Gesichtern
, trugen vielfach Zöpfe und sahen ganz fürcherlich aus; sie hausten aber nicht wie die
Marokkaner. Sie trugen englische Stahlhelme und über der Uniform den dunkelbraunen Burnus
, wie ihn die Weißen Väter tragen. Da ein großes Schneetreiben einsetzte und es empfindlich
kalt war, froren sie arg und verkrochen sich in den Scheunen. Von Schändungen der Frauen
hörte man nichts. Am Morgen des 4. Mai zog diese komische Soldateska wieder weiter.

Plötzlich änderte sich wieder die Situation. Am 6. Mai kam eine Kraftfahrkolonne in unser

237 Chronik der katholischen Pfarrgemeinde Burladingen.

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