Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
34(120).1998
Seite: 29
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Politische Identitätsbildung im Lande Württemberg-Hohenzollern

nutzt, um ein deutlich südwürttembergisches Landesprofil zu demonstrieren. Bereits am
23. 9. 1946 schreibt er an Gebhard Müller: Da in unserer Zone wohl in nächster Zeit Verfassungsfragen
eine Rolle spielen werden, so möchte ich bei Dir anfragen, ob etwa ein derartiger
Entwurf schon vorhanden ist... Nachdem die CD. U. die absolute Mehrheit bekommen wird,
sehe ich nicht ein, warum wir uns immer wieder von soz. demokratischer Seite die Entwürfe
vorlegen lassen sollen. Wir müssen gleich im Anfang Einfluß darauf gewinnen, daß der Entwurf
ein christliches Gepräge bekommt21. Er scheut dabei weder den Streit mit allen anderen
Parteien in der Beratenden Landesversammlung noch den mit der Besatzungsmacht - gerade
dies ist, bei seinem sonst eher vorsichtigen Umgang mit der Militärregierung, ein starkes Indiz
für die Wichtigkeit, die er dieser Frage beimißt. Nach eigener Einschätzung sieht sich deshalb
die Tübinger Militärregierung in der mißlichen Lage, den Willen der Minderheitsparteien der
Mehrheit aufoktroyieren zu müssen, weil sie in dieser Phase Wert darauf legt, die Differenz
zur Stuttgarter Verfassung möglichst klein zu halten und sich darin mit den Oppositionsparteien
SPD, DVP und KPD trifft. Der Kern des Streits sind nicht verfassungsrechtliche
Prinzipien oder gar verfassungsrechtliche Detailfragen, sondern es sind die südwürttember-
gisch-oberschwäbischen Identitätsbestrebungen, die den eigentlichen Streitpunkt ausmachen.
Am 17. beziehungsweise am 18. März 1947 erklären SPD und KPD auf dem Höhepunkt des
Verfassungsstreits, die CDU wolle das Land Württemberg mit ihrem Verfassungsentwurf
spalten und sei separatistisch im Sinne eines südwürttembergischen Separatismus11.

Ermöglicht wird diese südwürttembergische Profilierung durch die Vorgabe der französischen
Besatzungsmacht, daß in Württemberg-Hohenzollern eine Verfassung geschaffen werden
soll. Damit schon ist die von der SPD und der DVP verfochtene These der Teilstaatlichkeit
des südlichen Teils von Württemberg zumindest sehr stark in Frage gestellt. Wohl im
Hinblick auf die immer wieder von französischer Seite geäußerten Tauschwünsche mit den
USA (Südwürttemberg gegen Nordbaden) legt jedoch sowohl die Militärregierung in Baden-
Baden wie in Tübingen Wert darauf, die Differenz der Tübinger und der Stuttgarter Verfassung
möglichst klein zu halten. Sie trifft sich in diesen Wünschen mit der südwürttembergischen
SPD und DVP. Im Verfassungsstreit wird von diesen Parteien in immer neuen Anläufen
die Stuttgarter Verfassung als der entscheidende Maßstab hervorgehoben. Am deutlichsten
wird dies in den Ausführungen des Abgeordneten Haux (DVP) in der 3. Sitzung der Beratenden
Landesversammlung am 3. Dezember 1946. Hier sagt Haux: Diese Feststellung des Wunsches
der Wiedervereinigung mit unseren Landsleuten nördlich der Zonengrenze führt
zwangsläufig zu der Erkenntnis und der Uberzeugung, daß wir uns bei unseren verfassungsrechtlichen
Arbeiten möglichst dem anpassen müssen, was unsere Landsleute ... am 24. November
... gutgeheißen haben ... Keine Partei, auch nicht die Christlich-Demokratische Union
kann trotz des in unserem Landesteil für sie günstigeren Stärkeverhältnis ihre Aufgabe darin
sehen, ...allen ihren Forderungen, die sie im nördlichen Landesteil nicht durchsetzen konnte,
nunmehr in der südwürttembergischen Verfassung Geltung zu verschaffen11". Genau dies tut
aber die Parteiführung der südwürttembergischen CDU unter der Führung von Lorenz Bock.
Sie tut dies sogar in steigendem Maße; weder der dadurch entstehende Zeitdruck noch die wütenden
Proteste aller anderen Parteien hindert sie daran. Nicht einmal die innerparteiliche
Opposition bringt Bock von dieser einmal eingeschlagenen Linie ab. Als die anderen Parteien
aus Protest am 18. beziehungsweise am 19. März 1947 den Verfassungsausschuß verlassen,
weil die CDU sich fast geflissentlich von der Stuttgarter Verfassung abgesetzt habe, kümmert
dies Bock in keiner Weise. In den Besprechungen mit der Tübinger Militärregierung wird

21 HStA Stuttgart, Nachlaß G. Müller, D 69.

22 Zitat aus der Erklärung der KP vom 18. März 1947, S. 1, StA Sigmaringen Wü 1/1 als Anlage zu den
Sitzungsprotokollen.

23 Verhandlungen der Beratenden Landesversammlung, S. 10.

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