Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
34(120).1998
Seite: 51
(PDF, 85 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1998/0065
Gebhard Müller- Staatsmann zwischen Rumpfland und Länderneugliederung

Wenn er auch kein Widerstandskämpfer war, so ist Gebhard Müller Zivilcourage in
schwierigsten Situationen nicht abzusprechen. Als ein Beispiel sei hier sein Einsatz in der
»Reichskristallnacht« in Göppingen hervorgehoben, wo er die tatenlos vor der brennenden
Synagoge stehenden Verantwortlichen zum Einschreiten aufforderte, ohne Resonanz blieb
und sogleich Anzeige erstattete und einen Bericht an die Staatsanwaltschaft Ulm schickte. Das
einzige Ergebnis der Bemühungen Müllers war seine alsbaldige Versetzung nach Stuttgart29,
wo er in engen Kontakt mit einer Runde ehemaliger Zentrumspolitiker um den Staatspräsidenten
a. D. Eugen Bolz trat30. 1939/40 und 1944/45 nochmals Soldat, erlebte Müller das
Kriegsende an der Grenze Bayerns zu Vorarlberg, fiel kurz in französische Gefangenschaft
und lief dann zu Fuß bis nach Göppingen, wo er Frau und Kind wiedersah.

4. AUFSTIEG IN JUSTIZ UND POLITIK

Obwohl er mit seiner Familie wie Millionen Deutsche vor dem Nichts stand, ging es Müller
besser als vielen anderen. Er war unversehrt, er befand sich nicht in Gefangenschaft und er
wurde dringend gebraucht. Schon Anfang Juni 1945 versicherte sich Josef Beyerle, der politische
Ziehvater, der Mitarbeit Müllers beim Wiederaufbau der Justiz31. Eng verknüpfte sich das
Leben des 45jährigen Müller mit Südwürttemberg, als Beyerle ihn als seinen Stellvertreter
nach Tübingen abordnete, um in dem vom US-amerikanisch besetzten Nordwürttemberg abgetrennten
, französisch besetzten Landesteil unter unvorstellbar schwierigen Bedingungen
die Wiederingangsetzung der Rechtspflege zu bewerkstelligen. Die Tatsache, daß im Herbst
1945 die meisten Gerichte und Notariate Württemberg-Hohenzollerns zumindest in einer
Notbesetzung ihre Arbeit wieder aufnahmen, ist ohne Einschränkung dem Wirken Müllers
und seinem dreiköpfigen Stab zu danken.

Die Früchte seiner erfolgreichen Arbeit konnte er jedoch zunächst nicht ernten, weil nach
der Bildung einer deutschen Verwaltungsspitze in Tübingen am 16. Oktober 1945 die Leitung
der sogenannten Landesdirektion der Justiz nicht, wie allgemein erwartet, Müller zufiel, sondern
vom Vorsitzenden dieses Staatssekretariats, Carlo Schmid, mit übernommen wurde32.
Beförderungen zum Ministerialrat und Ende 1946 zum Ministerialdirektor konnten das

29 Vgl. dazu Gebhard Müller: 40 Jahre Landkreis Göppingen - Betrachtungen eines Politikers und
Juristen aus Geschichte und Erleben. In: 50 Jahre Landkreis Göppingen. Sammlung der Vorträge zu den
Tagen des Landkreises 1978-1987. Hg. vom Landkreis Göppingen 1987, S. 7-12, hier S. 9.

30 Vgl. dazu Gebhard Müller: Eugen Bolz - ein Mann des Widerstandes, sein Kampf und sein Ende,
in: Guestfalen-Blätter. Mitteilungsblatt der Akademischen Verbindung Guestfalia 59 (1982), S. 17-31, hier
S. 25, sowie von Dems.: Wie ich das Kriegsende 1945 erlebte ... In: Heimatkundliche Blätter für den Kreis
Biberach 9 (1986), S. 37-40, hier S. 39.

31 Zu den Einzelheiten vgl. Frank Raberg: »Vielleicht wird ein Höherer unsere Arbeit segnen«. Josef
Beyerle und die politische Neuordnung in Württemberg 1945. In: ZWLG 55 (1996), S. 313-361. Um an
dieser Stelle einen häufigen Fehler in diversen Publikationen über Müller zu korrigieren, sei darauf hingewiesen
, daß Müller am 24. 9. 1945 von Reinhold Maier, dem Ministerpräsidenten von Württemberg-
Baden, zum Oberstaatsanwalt ernannt wurde (vgl. ebd. S. 360). Die bei Bradler (wie Anm. 2), S. 85, zu
findende Information, die Franzosen hätten Müller quasi sogleich nach der Okkupation zum Oberstaatsanwalt
ernannt, ist ebenso falsch wie der entsprechende Hinweis bei Stefan Zauner: Württemberg-
Hohenzollern, in: Jörg Thierfelder/Uwe Uffelmann (Bearb. und Red.): Der Weg zum Südweststaat.
Hg. von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg. Karlsruhe S. 75-92, hier S. 67.

32 Vgl. dazu demnächst ausführlich Frank Raberg: Wie Carlo Schmid in die Politik kam - Vom Landesdirektor
in Stuttgart zum provisorischen Regierungschef in Tübingen. In: Carlo Schmid (3. 12. 1896 -
11. 12. 1979) - Mitgestalter der Nachkriegsentwicklung im deutschen Südwesten. Hg. von der Kommission
für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg. Stuttgart 1997.

51


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1998/0065