Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
34(120).1998
Seite: 52
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1998/0066
Frank Raberg

Gefühl des verletzten Stolzes nicht überdecken, jedoch gestalteten sich die persönlichen
Beziehungen Müllers zu Schmid bald wieder in bester Weise, wofür nicht nur die vertrauensvolle
Kooperation in der Regierungsarbeit spricht, sondern auch die Jahre später gegen starke
Widerstände in der CDU vom Staatspräsidenten Müller gefällte Entscheidung, den Sozialdemokraten
Schmid neben dem Unionspolitiker Paul Binder in den Parlamentarischen Rat zu
entsenden. Die Behauptung der Schmid-Biographin Weber, Schmid sei nach Bonn abgeordnet
worden, um dem einen »autoritären Regierungsstil« pflegenden Müller in Tübingen freiere
Hand zu lassen33, halte ich für eine völlig unbegründete Unterstellung.

Noch war Müller nicht Staatspräsident. Er beteiligte sich an führender Stelle an der Gründung
der CDU34, rief im April 1946 den Tübinger Stadtverband mit ins Leben und wurde auf
dem Parteitag in Biberach am 29. März 1947 zum Landesvorsitzenden der CDU Württem-
berg-Hohenzollern gewählt. Die Partei, die er im Südwesten mitgegründet und wesentlich geprägt
hat, machte ihm in Zukunft beileibe nicht nur Freude, ja, man geht wohl nicht zu weit,
wenn man festhält, daß Gebhard Müller nicht nur mit, sondern auch an der CDU gelitten hat.
Davon kündet, als erster Beleg, ein Brief wenige Tage nach seiner Wahl zum Landesvorsitzenden
an seine Frau33; mit der Übernahme des Amtes habe er eine Aufgabe übernommen, die ...
das zumutbare Maß wirklich übersteigt. Ich war schlecht beraten, als ich mich breitschlagen
ließ und das Amt übernommen habe. Wenn ich nur irgendeine Möglichkeit sehen würde, um
wieder loszukommen. Die ganze politische Situation ist nicht zuletzt durch die Ungeschicklichkeit
der CDU-Abgeordneten völlig verfahren, und ich muß zuerst wieder versuchen, überhaupt
Ordnung hereinzubringen, denn jeder tut, was er will.

Das waren Umstände, die mit den autoritären Ordnungsvorstellungen Müllers gar nicht
harmonierten. Doch er verstand es, innerhalb weniger Monate die bisher sehr heterogen
strukturierte Partei zusammenzuführen und straff zu organisieren. Beruflich und als
Parteiführer war er so stark eingespannt, daß er darauf verzichtete, in die Beratende Landesversammlung
zur Erarbeitung einer Verfassung gewählt zu werden.

In der ersten Sitzung dieses Gremiums bekannten sich Präsident Gengier, Staatsrat Schmid,
der einflußreiche CDU-Politiker Lorenz Bock36 und der KPD-Fraktionsvorsitzende Acker
ausdrücklich zur Wiedervereinigung mit Nordwürttemberg. Lediglich die DVP-Fraktion
äußerte sich nicht. Darüber hinaus schloß Bock schon damals expressis verbis namens der
Union einen Südweststaat nicht aus, erinnerte an die Bemühungen von 1919 zum Zusammenschluß
Württembergs mit Baden und drückte die Hoffnung aus, daß jetzt der Wunsch nach
Vereinigung der beiden Länder seine Erfüllung finden wird?7. Beim besten Willen ist aus den
Bekundungen Bocks und Genglers nicht zu entnehmen, daß sie damit das womöglich eigentliche
Ziel der Partei, durch eine sich vom nördlichen Nachbarn möglichst deutlich unterscheidende
Verfassung einen CDU-dominierten Rumpfstaat auf Dauer zu zementieren, bemänteln
wollten. Es besteht kein Gegensatz zwischen Wiedervereinigungs-Rhetorik und Konsolidie-

33 Petra Weber: Carlo Schmid 1896-1979. Eine Biographie. München 1996, S. 350.

34 Im Sommer 1945 war Müller Teilnehmer einiger vorbereitender Gespräche ehemaliger Zentrumspolitiker
zur Gründung der Union gewesen, so am 1. 8. 1945. Vgl. dazu das von Müller erstellte Protokoll
in NGM, D 37.

35 Schreiben von Gebhard Müller, Tübingen, 12. 4. 1947, an Marianne Müller, Ludwigsburg.

36 Bisher ist das politische Wirken Lorenz Bocks (1883-1948), der von 1919-1933 dem Württembergischen
Landtag für die Zentrumspartei angehört hatte und nach 1945 als Mitarbeiter am Verfassungsentwurf
für Württemberg-Hohenzollern und erster Staatspräsident die Politik im Land wesentlich bestimmte
, nur unzureichend gewürdigt worden, vgl. u. a. August Hagen: Gestalten aus dem schwäbischen
Katholizismus 4. Stuttgart 1962, S. 86-100, und Bradler (wie Anm. 2). Frank Raberg bereitet für die
ZHG einen zweiteiligen Beitrag über Bock vor.

37 Verhandlungen der Verfassunggebenden Landesversammlung für Württemberg-Hohenzollern,
1. Sitzung, 22. 11. 1946, S. 20.

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