Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
34(120).1998
Seite: 56
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Frank Raberg

auch die SPD, die im Jahr zuvor Bock nicht gewählt hatte, voll hinter sich, was seine Position
sehr stärkte und den überparteilichen Konsens, der an seine Person gebunden war, deutlich
widerspiegelte. In seiner Dankesrede nach der Wahl48 bot er eine Selbstbeschreibung, eine
Darlegung seiner Vita, die zum gültigen Bild seiner Generation geriet. Er sprach darin von der
Begeisterung für das Deutsche Kaiserreich, vom Elend des Zusammenbruchs und Niedergangs
1918/19 und vom Zugrundegehen der Weimarer Republik, das man mit wehem Herzen habe
erleben müssen. Und er fuhr fort: Auf der Höhe der Manneskraft hat uns das Dritte Reich
mundtot gemacht, aber eine doppelte Erkenntnis hat sein Aufstieg unauslöschlich in meiner
Generation und in mir eingeprägt: daß neben Begabung und beruflicher Tüchtigkeit der sittliche
Charakter, Gewissenhaftigkeit und Verantwortungsbewußtsein die Männer auszeichnen
müssen, denen das Volk sein Schicksal anvertraut, und daß so wie im Einzelleben auch im
staatlichen Wirken Recht und Gerechtigkeit letzten Endes den Ausschlag geben, daß ohne
Gerechtigkeit das machtvollste Reich untergehen muß und daß auch in der tiefsten Verlassenheit
des Einzelnen und des Volkes die Hoffnung auf das Recht, das Handeln nach dem Recht
als Verpflichtung göttlichen Ursprungs Mut und Stütze geben. Abschließend bekundete er die
Hoffnung, nur kurze Zeit im Amt sein zu müssen, da die Verhandlungen zum Zusammenschluß
in der größeren Einheit... günstige Fortschritte machten.

Das waren zu hoffnungsvolle Worte, wie sich bald zeigen sollte. Fast vier Jahre lang dauerten
die Südweststaat-Verhandlungen, die Anfang August 1948 auf dem Hohenneuffen begonnen
hatten, noch an. Die einzelnen Abschnitte des auf allen Seiten fintenreich ausgetragenen
Kampfes sind bekannt und können hier nicht behandelt werden. Es sei nur festgehalten, daß
wohl kein Politiker, nicht einmal Reinhold Maier, so unbeirrt auf den Südweststaat zusteuerte
wie Müller. Der Staatspräsident, der zugleich Finanz- und Wirtschaftsminister, später auch
Justizminister war, erblickte in der Länderneugliederung die Lösung aller Probleme des deutschen
Südwestens. Dabei ist sich vor Augen zu halten, daß Müller nicht nur an der Südweststaatfront
kämpfte, sondern als Regierungschef eines westdeutschen Landes maßgeblichen
Anteil am Zustandekommen der Bundesrepublik Deutschland, an der Einrichtung und Konsolidierung
ihrer Institutionen, insbesondere des Bundesrates, hatte49. Innerparteilich hatte er
bei all seinen Bemühungen Gegenwind. Dabei war die Basis seiner eigenen Staatsregierung
schmäler geworden. Seit dem Wechsel des DVP-Politikers Eberhard Wildermuth von der
Spitze des württemberg-hohenzollerischen Wirtschaftsministeriums an die Spitze des neuen
Bundesministeriums für Wiederaufbau, waren die Liberalen nicht mehr an der Regierung beteiligt
. Versuche des Staatspräsidenten, den Ebinger Fabrikanten und DVP-Landtagsabgeord-
neten Friedrich Haux zum Finanzminister zu machen, scheiterten, da Müller die Dauer der
Tätigkeit auf maximal fünf Monate bemaß, weil er bis dahin die Wiederherstellung des alten
Landes Württemberg erwartete'0. Die Liberalen erklärten am 16. Dezember 1949 offiziell
ihren Austritt aus der Regierung. Müller konnte diesen Schritt nicht verstehen und versuchte
alles, die DVP an seiner Seite zu halten - vergeblich31.

In einer vom 15. September 1950 datierten Postwurfsendung an alle Haushaltungen des
Landes warb Müller für den Südweststaat, indem er betonte, Württemberg-Hohenzollern sei
in einer Zwangslage gegen unseren Willen entstanden. Wir Minister kleben nicht an unseren
Sesseln. Wir wollen nicht unser Land aufrecht erhalten, damit wir es weiterregieren können.

48 VLWH, 38. Sitzung, 13. 8. 1948, PB 2, S. 569ff.

49 Vgl. dazu ausführlich Frank Raberg: »Wir wollen einen echten Bundesrat ... ohne Schleppe und
ohne Schwanz und ohne Bart«. Gebhard Müller und die Ausgestaltung des föderalistischen Prinzips der
Bundesrepublik Deutschland 1948/49. In: GiW 10 (1995), S. 47-69.

50 Schreiben von Friedrich Haux MdL, Ebingen, 28. 10. 1949, an Gebhard Müller, in NGM, B 2/21.

51 Vgl. das Schreiben der DVP-Landesleitung, Reutlingen, 16. 12. 1949, an Gebhard Müller, in NGM,
B 2/22. Im folgenden auch der weitere Schriftwechsel und Gesprachsprotokolle zum Verbleib der DVP in
der Regierung.

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