Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
34(120).1998
Seite: 57
(PDF, 85 MB)
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Gebhard Müller - Staatsmann zwischen Rumpfland und Länderneugliederung

Sowohl er als auch seine Vorgänger Bock und Schmie! hätten sich stets dafür eingesetzt, sich
mit anderen Gebieten zu einem größeren Lande zusammenzuschließen. Württemberg-Ho-
henzollern sei allein schon wegen seiner geringen Größe nicht lebensfähig, und im Vergleich
zu einer Wiederherstellung der alten Länder sei der Südweststaat die wirtschaftlich, sozial,
aber auch politisch bessere Lösung.

Müller war ein Mann, der wußte, wer er war und was er geleistet hatte. Eine Primadonna
war er nicht. Deshalb sind seine Drohungen aufzugeben auch nicht mit dem üblichen Maß zu
messen. 1951 erging erstmals der Ruf an ihn, als Präsident an die Spitze des neugeschaffenen
Bundesverfassungsgerichtes zu treten. Er überlegte sich damals ernsthaft, den Rückzug aus
der Politik anzutreten. Trotz des Art. 118 GG, trotz der Befassung des Bundestages mit der
Frage und der Existenz eines Neugliederungsgesetzes ging nichts voran. Südbadens Staatspräsident
Leo Wohleb wehrte sich gegen den Südweststaat, als ginge es für die Südbadener
um Leben oder Tod. Auch bei Berücksichtigung aller berechtigten Gründe für die Wiederherstellung
der alten Länder Baden und Württemberg in den Grenzen von 1933: das Ausmaß
der Angriffe gegen Müller seitens Südbaden, seitens der badischen CDU und seitens des
badischen Klerus, der sich politisch keineswegs zurückhielt, überschritt jedes vertretbare
Maß. Dazu kam der Ärger im eigenen Land, mit dem eigenen Landesverband der CDU.
Seiner Frau schrieb der schwer erkrankte Staatspräsident 1951 aus der Klinik in Freiburg: Es
ist am 2. 3. auch eine sehr wichtige Landtagssitzung, an der ich teilnehmen sollte. Sonst
machen meine CDU-ler noch mehr Dummheiten'1. Wichtig war diese Sitzung wegen des
»Initiativ-Gesetzentwurfs der DVP über die Wiedervereinigung des Landes mit Nordwürttemberg
in Verbindung mit dem Antrag betr. Aufnahme von Verhandlungen zur Herbeiführung
eines alsbaldigen Anschlusses des Landes Württemberg-Hohenzollern an das
Land Württemberg-Baden« (Beilagen 631 und 656) sowie die Endberatung des Gesetzentwurfs
zur Änderung der Verfassung in bezug auf die Verlängerung der Wahlperiode des
bestehenden Landtags bis zum 1. April 1952 (Beil. 657)53. Obwohl Müller an der Sitzung
nicht teilnehmen konnte, wurde der erste Tagesordnungspunkt vertagt und die Verlängerung
der Wahlperiode beschlossen, so daß der Regierungschef und Parteivorsitzende mit »seinen
CDU-lern« diesmal wohl zufrieden sein konnte.

Nach der Volksabstimmung über den Südweststaat vom 9. Dezember 1951 war die Bildung
Baden-Württembergs beschlossene Sache. In einem Brief offenbarte Müller, daß dies
nach allen Kämpfen auch ein Pyrrhussieg gewesen sei. Er schrieb an Bundespräsident Heuss54,
daß er zutiefst überzeugt sei, daß das Ergebnis des Volksentscheids einen bedeutsamen Fortschritt
auf dem Wege zur Schaffung eines gesunden Bundesstaats darstelle und daß diese Entscheidung
auch im engeren Raum des Südwestens Möglichkeiten bieten wird, bei einiger Klugheit
und Mäßigung die Ausgestaltung eines ungewöhnlich leistungsfähigen, ausgeglichenen
und harmonischen Bundeslandes in die Wege zu leiten. Unvollständig wäre das hoffnungsvolle
Bild der Zukunft freilich ohne Hinweis auf die Haltung der führenden Persönlichkeiten der
altbadischen Richtung, von denen Müller meinte, daß sie ohne jede Weitsicht, ohne Besinnung
auf die wahren Interessen Badens im künftigen Gesamtland, rein aus Verärgerung und einem
fast kindlichen Trotzgefühl den Zusammenschluß verhindern wollten. Der 9. Dezember habe
für ihn persönlich den erfolgreichen Abschluß einer mühseligen Arbeit bedeutet, an dem er
sich aber aufgrund der persönlichen und gehässigen Anfeindungen von badischer Seite, vor
allem durch den badischen Klerus, nicht freuen konnte. Ich tröste mich damit, daß man auch
solche Erfahrungen machen muß, um zur Vollreife eines Politikers und zur völligen inneren
Unabhängigkeit zu gelangen.

52 Brief Müllers, Universitätsklinik Freiburg i. Br., vom 22. 2. 1951, an Marianne Müller, Ludwigsburg.

53 VLWH, 103. Sitzung, 2. 3. 1951, S. 2023 und 2029-2034.

54 Schreiben von Gebhard Müller, Tübingen, 28. 12. 1951, an Bundespräsident Prof. Dr. Theodor Heuss,
Bonn, PFM.

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