Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
34(120).1998
Seite: 58
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Frank Raberg

6. BADEN-WÜRTTEMBERG -

VON DEN OPPOSITIONSBÄNKEN ZUM KABINETTSTISCH

Er konnte nicht wissen, daß er - so gesehen - von der Vollreife eines Politikers noch ein gutes
Stück entfernt war. Weil die südbadische CDU gegen Müller agitierte, trat nicht er, sondern
Reinhold Maier an die Spitze des von Regierungsvertretern der drei Länder beschickten südwestdeutschen
Ministerrates. Und als am 25. April 1952 das neue Bundesland gegründet wurde
, war es nicht Gebhard Müller, sondern der Liberale Reinhold Maier, der dieses Ergebnis
bekanntgab, und er installierte sich sogleich selbst als Ministerpräsident an der Spitze einer
Koalition aus Liberalen, Sozialdemokraten und dem Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten
(BHE). Die CDU, mit 36 Prozent stärkste Partei in der baden-württembergischen
Verfassunggebenden Landesversammlung, wurde bewußt von der Regierungsbeteiligung ausgeschlossen
. An diesem Tag erlebte Gebhard Müller sein Waterloo, ein Trauma, das er nie verwunden
hat. Nicht nur blieb ihm der Lohn der Arbeit versagt, er mußte sich auch noch vom
Bundeskanzler vorhalten lassen, die Position der Union im Bundesrat habe sich, wie vorausgesagt
, aufgrund der Bildung des neuen Bundeslandes erheblich verschlechtert.

Müller hätte, wie er sich später erinnerte, unbedingt Leo Wohleb in sein Kabinett aufgenommen
, vermutlich als Kultusminister55. Er verstand dies als unabdingbare integrative Maßnahme
. Daß Reinhold Maier Wohleb nicht zum Minister berufen habe, sei auf das tiefste zu
bedauern. Das persönlich gute Verhältnis Wohlebs zu Müller, das letzterer stets betonte, war
aufgrund der antagonistischen Standpunkte in der Südweststaatfrage wiederholt schwersten
Belastungen ausgesetzt. Die Bemerkung, Wohleb habe die Grenzen einer fairen Auseinandersetzung
nicht überschritten36, wird als altersmilde Reminiszenz zu werten sein. Als Beweis des
Gegenteils sei hier Müllers heftige Rede in der Sitzung des CDU-Bundesvorstands vom
11. Januar 195 2 57 angeführt, in welcher er sich in schärfsten Worten gegen die Anfechtung des
Urteils des Bundesverfassungsgerichts von badischer Seite wandte, »eine Reihe weiterer Vorwürfe
gegen Wohleb« erhob »und erklärte, er müsse sich durch viele Äußerungen Wohlebs
beleidigt fühlen«. Der badische Staatspräsident »reiste giftig und vergrämt nach Schluß der
Sitzung ab«, während Müller weiter »seinem Groll freien Lauf« ließ58. Wenig später sagte
Wohleb mit Blick auf Müller zu den Damen im Colombi-Schlößchen, dem Sitz des badischen
Staatspräsidenten: Maidle, den Herrn müßt ihr euch genau ansehen, das ist einer der wenigen,
von denen man heute schon weiß, daß er in die Hölle kommt51'.

In die Hölle kam er einstweilen nicht. Müller wurde an die Spitze des baden-württembergischen
Verfassungsausschusses gewählt, wenige Monate später zum Vorsitzenden der CDU-
Fraktion und am 30. September 1953 zum Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg,
nachdem der große CDU-Wahlsieg bei der Bundestagswahl im Land wie ein Mißtrauensvotum
gegen die von Maier geführte Regierung ausgefallen war. Unter Ministerpräsident
Müller wurde die baden-württembergische Landesverfassung verabschiedet und trat am
19. November 1953 in Kraft. Beim Staatsakt anläßlich der Verkündung der Verfassung wies er
nochmals darauf hin, daß er gern schon den Geburtstag, nicht erst den Taufakt des Südwest-

55 So Müller, Stuttgart, 25. 11. 1978, in einem Schreiben an Professor Dr. Paul-Ludwig Weinacht, NGM,
B57.

56 Müller: Ernstes und Heiteres (wie Anm. 3 ), S. 25.

57 Protokoll der Sitzung des Bundesvorstandes der CDU am 11./12. 1. 1952 in Bonn, veröffentlicht in
Günter Buchstab (Bearb.): Adenauer: »Es mußte alles neu gemacht werden«. Die Protokolle des CDU-
Bundesvorstandes 1950-1953 (Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte 8), Stuttgart 1986, S. 96-107.

58 Klaus Gotto/Hans-Otto Kleinmann/Reinhard Schreiner (Bearb.): Im Zentrum der Macht.
Das Tagebuch von Staatssekretär Lenz 1951-1953 (Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte 11). Düsseldorf
1988, S. 214 (Eintrag vom 11.1. 1952).

59 Müller: Ernstes und Heiteres (wie Anm. 3), S. 28.

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