Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
34(120).1998
Seite: 89
(PDF, 85 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1998/0103
»Wilsingen, ein Dorf auf den Alpen unweit Trochtelfingen«

Zehntscheuer und dem Anwesen St. Wendelinus ist erst nach 1850 erfolgt. Der Besitzart nach
existieren jetzt 10 Erblehen, 19 Fallehen, 2 Widum- und 2 Heiligengüter sowie eine Anzahl
von unbehausten Eigengütern unterschiedlicher Zusammensetzung.

Was die Besitzstruktur angeht, so kann man keine auffälligen Unterschiede entdecken. Sowohl
Erblehen als auch Fallehen sind behaust und liegen in Streulage. Zwei Fallehen sind un-
behaust (St. Conradus, St. Zeno); unter den Erblehen ist das Lehen St. Udalricus ohne Wohnhaus
und Scheuer. Auch hinsichtlich der Ackerlandanteile der einzelnen Höfe bestehen keine
Gegensätze, es sei denn der, daß zwei Fallehen (St. Nikolaus, St. Zacheus) keine öschigen
Acker besitzen. Sie gehörten Seidnern, die ihr Brotgetreide im Gemeinmärk und in den
Reutäckern auf kleinen Flächen anbauten, was ein Hinweis auf Zuwanderung sein könnte.
Mit dem Fallehen St. Nikolaus war zugleich die Dorfschmiede verbunden.

Unter den sich ab 1750 Reichsäbte nennenden Prälaten Benedikt Mauz, Nikolaus Schmid-
ler und Gregor Weinemer, unter deren Herrschaft das Zwiefalter Klosterterritorium zum modernen
Staat ausgebaut wurde, nahm die Entwicklung Wilsingens einen moderaten Verlauf.
Bis zum Ende der Klosterherrschaft (1802) erreichte das Siedlungswachstum Wilsingens nach
äußeren Anzeichen beurteilt keine Höhepunkte. An neuen Gebäuden kamen lediglich hinzu:
die St. Wendelinuskapelle (1756, umgebaut 1772), das Rathaus (erbaut um 1750, Neubau 1839)
und am südlichen Ortsende zwei Seidneranwesen. Es sind dies sicherlich nicht die einzigen
baulichen Aktivitäten, vielmehr dürften etliche Wohn- und Wirtschaftsgebäude abgerissen
und stattlicher neu errichtet worden sein. Nicht übersehen wollen wir in diesem Zusammenhang
die Barockisierung der Pfarrkirche St. Georg, die unter Abt Benedikt Mauz 1753 begonnen
wurde und bei der überregional bekannte Künstler wie Johann Josef Wegscheider aus
Riedlingen mitgewirkt haben38. Etwas unsicher sind wir hinsichtlich der - über einen Flurnamen
überlieferten - »Lieben Frauen Cappell«, die im Zins- und Lagerbuch 1748 genannt wird.
Da es kein weiteres direktes Zeugnis gibt, das die Liebfrauenkapelle als Bau dieser Epoche
ausweist, so ist wohl eher daran zu denken, daß auf dem Käppelesberg damals schon keine
Kapelle mehr bestanden hat und der Flurname lediglich eine Erinnerung an die abgegangene
Liebfrauenkapelle darstellt.

Das Ergebnis der Siedlungentwicklung zu Anfang des 19. Jahrhundert verdeutlicht die
Abb. 2, auf der vor allem im Gegensatz zur Karte von 1748/50 die Siedlungserweiterung an
der Pfronstetter Straße und am Herrenweg auffällt. Hier am östlichen Ortsrand war inzwischen
die Bebauung von drei auf acht Anwesen (Stand 1824) überwiegend von Seidnern und
Handwerkern angewachsen. An dieser Stelle des Ortsgrundrisses setzt das weitere Siedlungswachstum
des ganzen 19. Jahrhunderts an. 1819 zählte Wilsingen 36 Wohngebäude39, 1824 ist
die Siedlung aufgeteilt in 41 Anwesen (darunter 36 »Bürger«-Anwesen) und 1332 Feldparzellen40
. Die Siedlungs- und Verkehrsfläche machte mit 26 Morgen gerade 1,2 % der gesamten
Markung aus. Zum baulichen Erscheinungsbild des Ortes vermerkt das Güterbuch von 1854
noch, daß die Häuser mit wenigen Ausnahmen in Holz und Riegelfachwerk erbaut, die
Dächer mit einer Ausnahme mit Dachplatten gedeckt seien. Am Ende des 19. Jahrhunderts
hatte Wilsingen 47 Wohngebäude und 99 landwirtschaftliche Nebengebäude.

Einer kurzen Erörterung bedürfen noch die Flurnamen Mühlstatt oder Mühlstadt, Mühlwiesen
und Mühläcker im Südwesten der Gemarkung am alten Weg nach Harthausen. Sie tau-

38 Günter Kolb: Barockbauten im Gebiet der Abtei Zwiefalten, in: 900 Jahre Benediktinerabtei Zwiefalten
, hg. von Hermann Josef Pretsch. Ulm 1989, S. 358ff.; Die Kunst- und Altertums-Denkmale in
Württemberg, hg. vom Württ. Landesamt für Denkmalpflege, 75./80. Lief.: Inventar Oberamt Münsingen.
Esslingen 1926, S. 133; Lothar Gonschor: Kulturdenkmale und Museen im Kreis Reutlingen. Stuttgart
1989, S. 245ff.

39 StaatsA Sigmaringen, Wü 125a, Bd. 1368, Heft I (Kameralamtsgrundbuch Zwiefalten von 1819).

40 Gemeindearchiv (GdeA) Wilsingen, Wi B 55 (Primärkataster Wilsingen, angelegt 1824).

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