Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
34(120).1998
Seite: 117
(PDF, 85 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1998/0131
WOLFGANG SCHAFFER

Geisteskranken-Fürsorge in Hohenzollern im 19. Jahrhundert

1. GEISTESKRANKE IN HOHENZOLLERN

Die Geschichte der Geisteskranken in Hohenzollern bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts
ist weitestgehend noch unerforscht, wozu die schlechte Quellenlage und vor allem auch das für
diese Thematik bis in jene Zeit noch fehlende ausreichende Problembewußtsein maßgebend
beigetragen haben. Eine der wenigen zeitgenössischen Nachrichten stammt von Dr. Franz
Fischer, dritter Arzt in der badischen Anstalt Illenau bei Achern und seit 1860 Direktor der
Heil- und Pflegeanstalt Pforzheim, der im Jahre 1856 berichtet, daß die Geisteskranken im Bereich
des Fürstentums Hohenzollern-Hechingen, wenn es ihre Vermögensverhältnisse gestatteten
, gewöhnlich in den württembergischen Anstalten Zwiefalten oder Winnenthal, teilweise
auch in kleinen Privatanstalten, ein Unterkommen fanden1.

Die Beschreibung Fischers verweist bereits auf die für das fortschreitende 19. Jahrhundert
typische Form der Anstaltsunterbringung von Geisteskranken, die damals zeittypisch als »Irre«
bezeichnet wurden. Bis in den Anfang jenes Jahrhunderts waren die Verhältnisse jedoch durch
völlig andere Merkmale gekennzeichnet. Im Laufe der Jahrhunderte war der Status mental oder
verhaltensmäßig auffälliger beziehungsweise von der gesellschaftlichen »Norm(alität)« als abweichend
empfundener Personen immer wieder Wandlungen unterworfen gewesen, wobei die
Pole von einer Integration bis zur Segregation schwankten2. Noch im 18. Jahrhundert verschwanden
die Irren oftmals in Gefängnissen und Arbeitshäusern, wo sie weggesperrt wurden
oder, sofern sie sich als arbeitsfähig erwiesen, zusammen und vor allem undifferenziert mit Kriminellen
, Bettlern, Vaganten, Waisenkindern, Armen und anderen an den Rand der Gesellschaft
gedrängten Personen wirtschaftlich nach den Maximen aufklärerisch inspirierter »Industrio-
sität« ausgebeutet wurden. Dahinter standen zudem das zeitgenössische Ziel einer Erziehung
durch Disziplinierung beziehungsweise der Schutz der Allgemeinheit vor den Irren3.

1 [Franz] Fischer: Einige Worte über das Irrenwesen in den Hohenzollernschen Landen. In: Allgemeine
Zeitschrift für Psychiatrie und psychisch-gerichtliche Medicin 13 (1856), S. 635-640, hier S. 635.

2 Vgl. die Überblicksdarstellungen z. B. bei Erwin H. Ackerknecht: Kurze Geschichte der Psychiatrie.
Stuttgart 31985; Hermann August Adam: Über Geisteskrankheit in alter und neuer Zeit. Regensburg 1928;
Franz Gabriel Alexander/Sheldon T. Selesnick: Geschichte der Psychiatrie. Konstanz-Zürich 1969.

3 Vgl. allgemein Dieter Jetter: Grundzüge der Geschichte des Irrenhauses. Darmstadt 1981, S. 18f f.; zuletzt
Rüdiger Nolte: Pietas und Pauperes. Klösterliche Armen-, Kranken- und Irrenpflege im 18. und
frühen 19. Jahrhundert. Köln 1996, bes. S. 56-70; darüber hinaus Gunter Herzog: Krankheits-Urteile.
Logik und Geschichte in der Psychiatrie. Rehberg-Loccum 1984, S. 114; Dirk Blasius: Irrwege der Reform
. Zum Mythos psychiatrischen Fortschritts. In: Ders.: Umgang mit Unheilbarem. Bonn 1986,
S. 91-102; Ders.: Ambivalenzen des Fortschritts. Psychiatrie und psychisch Kranke in der Geschichte der
Moderne. In: F. Bajohru. a. (Hg.): Zivilisation und Barbarei. Hamburg 1991, S. 253-268, hier S. 256; Ders.:
Ausgestoßen? - Psychisch Kranke als Fremde in der bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts. In:
Sozialpsychiatrische Informationen 24 (1994). Heft 1, S. 2-6; Ernst Köhler: Arme und Irre. Die liberale
Fürsorgepolitik des Bürgertums. Berlin 1979, S. 151 f.

117


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1998/0131