Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
34(120).1998
Seite: 125
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1998/0139
Geisteskranken-Fürsorge in Hohenzollern im 19. Jahrhundert

dem Physikat für das Oberamt Sigmaringen, mit Beginn des Jahres 185 544. Der zuständige
Minister von Raumer wollte zunächst den an der badischen Anstalt Illenau wirkenden Arzt
Dr. Gudden45 auf die neue Stelle berufen, der unter anderem auch durch Direktor Zeller von
Winnenthal warm empfohlen worden war. Gudden zögerte jedoch mit einer Annahme, da er
eine aussichtsreiche Bewerbung auf das Direktorat der unterfränkischen neugegründeten
Irrenanstalt Werneck laufen hatte und schließlich tatsächlich nach Bayern ging. Die Besetzung
der Stelle zögerte sich daher noch etwas hinaus, da sich nicht so schnell eine weitere geeignete
Persönlichkeit finden ließ46.

Neuernannter Sigmaringer Kreisphysikus und damit gleichzeitig Irrenarzt für die Hohen-
zollernschen Lande und ärztlicher Vorstand am Landeskrankenhaus wurde schließlich Dr.
Oscar Schwartz (1855-1870). Die Regierung nahm den Amtsantritt des neuen Physikus zum
Anlaß, alle Oberämter zu verpflichten, die Irren statistisch zu erfassen. Eine Differenzierung
sollte dabei nach den Krankheitsbildern von Melancholie, Wahnsinn, Manie, Narrheit, Blödsinn
und Cretinismus stattfinden. Die schnellstmögliche Meldung von Krankheitsfällen sollte
für die zügige Einleitung entsprechender Heilverfahren nutzbar gemacht werden47. Als ehemaliger
Physikus des Kreises Altena in Westfalen sowie zweiter Arzt an der westfälischen
Provinzial-Irrenanstalt Marsberg brachte Schwartz bereits einschlägige theoretische wie praktische
Erfahrungen mit.48 Er nahm sich sofort mit Energie des Unterbringungsproblems von
Geisteskranken in seinem neuen Wirkungskreis an. Schwartz, Anhänger einer engen Anbin-
dung kleiner Irrenanstalten an Hospitäler49, nahm im Sommer 1855 nochmals Kontakt mit
Zeller in Winnenthal auf. Jener plädierte für die Einbeziehung des städtischen Krankenhauses
als der zweckmäßigsten, schnellsten und wohlfeilsten Lösung50. Zudem teilte der Sigmaringer
Bürgermeister Gastel Dr. Schwartz mit, daß die städtischen Bürgerkollegien sich auf einen
Verkaufspreis von 12000 Gulden verständigt hätten. Baumeister Laur nahm daraufhin den
Plan der Einrichtung der Irrenanstalt im städtischen Hospital wieder auf51.

Schwartz setzte sich intensiv für eine bauliche Verbesserung der unbefriedigenden Situation
der Geisteskranken ein. Er verwies nochmals darauf, daß die im Oktober 1855 im Hospital
betreuten 15 Geisteskranken, darunter fünf Tobsüchtige, nur notdürftig untergebracht waren
und weitere Aufnahmen nicht möglich seien, obwohl deren Zahl im Ansteigen begriffen war.
Allein vom Physikat Haigerloch wurden 24 Seelengestörte namhaft gemacht, von welchen die
meisten in jammervoller Art versorgt sind. So wurde für eine Mutter von drei Kindern, die ihre
periodischen Anfälle an ihren Kindern ausließ, in der Stühe ein Bretterverschlag eingerichtet, in
welchem das erbärmliche unreinliche Bett der Mutter eingestellt ist, und wo sie während der

44 Die Vorgänge in StAS Ho 235 P Sekt. IX Rub. A Nr. 9 (I 8345).

45 Vgl. zu ihm Ganser: Bernhard von Gudden 1824-1886. In: Theodor Kirchhoff (Hg.), Deutsche
Irrenärzte, Bd. II. Berlin 1924, S. 47-58. Gudden avancierte später zum Leibarzt des bayerischen Königs
Ludwig II.

46 StAS Ho 235 P Sekt. IX Rub. A Nr. 9 (I 8345).

47 StAS Ho 13 Nr. 1239.

48 Vgl. Oscar Schwartz: Beiträge zur Fortbildung des öffentlichen Irrenwesens der Provinz Westfalen.
Altena 1852. In mehrwöchigen Reisen hatte er zudem eine ganze Reihe von Irrenanstalten besucht und
sich ein Bild über die Zustände gemacht, vgl. ebd. S. 7.

49 Vgl. Oscar Schwartz: Ueber die gleichzeitige Benutzung gewöhnlicher Krankenhäuser zur Heilung
und Pflege der Irren. In: Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie und psychisch-gerichtliche Medicin 20
(1863), S. 32-50; er bezieht sich hier ausdrücklich auf die einschlägigen Argumentationen, die bereits
Franz Richarz in seinem Aufsatz »Über die Vorzüge mehrerer kleinen, über einen Landestheil vertheil-
ter, öffentlicher Irrenheilanstalten vor einer einzigen großen Central-Anstalt« in der Allgemeinen Zeitschrift
für Psychitarie und psychisch-gerichtliche Medicin 4 (1847), S. 387-396 vertreten hatte.

50 StAS Ho 235 Abt I Sect. IX Rub F Nr. 531 Bd. 2 (I 16394).

51 StAS Ho 235 1 16394.

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