Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
34(120).1998
Seite: 162
(PDF, 85 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1998/0176
Otto Werner

Der israelitische Gemeindevorstand gab sich damit nicht zufrieden. Oberamtmann Bachmann
berichtete am 11. Juli 1850 an die Königlich Preußische Regierung169, daß sich die israelitische
Gemeinde zur Beschwerde bey höhern Behörden veranlaßt sehe. Bis zur Erledigung
dieser Beschwerde bitte sie, die Zahlung der Anschaffungskosten für die beiden Siegel zu sisti-
ren170. Die Folge war, daß der königliche Kommissar in den hohenzollerischen Fürstentümern
, Regierungsrat Beyer, dem Vorstand der israelitischen Gemeinde zu Hechingen171 mitteilte
, daß sie zur Führung des Königlichen Adlerwappens in ihrem Siegel nicht berechtigt sei.
Auch wurde dem Vorstand die ihm übertragene Funktion, das Visiren der Patentbücher und
Päße für israelitische Handelsleute, wieder entzogen, und solche dem dortigen Stadtschultheißen
-Amte als Local-Polizei-Behörde übertragen, wodurch die Beschwerde gegenstandslos
geworden war.

Dessenungeachtet veranstalteten die jüdischen Einwohner anläßlich des Geburtsfestes des
Königs von Preußen im Oktober 1850 in einem israelitischen Gasthause172 ein Festmahl, und
in hoher Freude über das ihnen in der Verfassungsurkunde von dem König zugesicherte Recht
der Gleichheit vor dem Gesetzem wurden bedeutende Beiträge zur Verschönerung der Synagoge
unterzeichnet^7*. Die Bänder an der Decke der Empore, welche die Schablonenmalerei
einfassen, sind in den Farben der Trikolore ausgeführt. Sie sind ein Beleg dafür, daß die jüdische
Gemeinde sehr wohl wußte: Die Emanzipation der Juden in Europa hat mit der Aufklärung
, der Französischen Revolution und der Herrschaft Napoleons seinen Anfang genommen
. Die Verschönerung der Synagoge in den Jahren 1850-52 war auch ein hoffnungsvolles
Zeichen für eine gedeihliche Entwicklung der jüdischen Gemeinde Hechingens. - Hatte doch
König Friedrich Wilhelm in seinem Zuruf vom 12. März 1850 an die Bewohner der Hohen-
zollernschen Lande darauf hingewiesen, daß sie seinem Haus und seinem Herzen nicht fremd
gewesen seien. »Die Stammburg Meines Geschlechts krönt einen Eurer Berge, ein Theil der
von Euch bewohnten Gebiete bildet das Stammland Meines Hauses. Euer Fürstengeschlecht
und das Königliche Haus Preußen haben dieselben Stammväter.« Besonders aber wird die
Aussage: »Eure Religion findet in der Preußischen Verfassung vollständigen Schutz175.« Sie
wird bei Katholiken wie bei Juden Gehör gefunden haben. Der Schutz bedeutete aber noch
keine Gleichheit. Der Unterschied bestand darin, daß die christliche Religion in der Verfassung176
und damit im preußischen Staat als grundlegend ausgewiesen war, wodurch die Juden
von allen Staatsämtern ausgeschlossen blieben, auch wenn grundsätzlich die Religionsfreiheit
und die freie Religionsausübung auch den Juden zugesagt war177. Erst der Reichstag des
Norddeutschen Bundes hob »alle noch bestehenden, aus der Verschiedenheit des religiösen
Bekenntnisses hergeleiteten Beschränkungen der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte
« auf. Als echte Patrioten hatten aber die jüdischen wie die übrigen Einwohner schon 1863
den 50. Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig gefeiert, und als dies in der Berichterstattung
der Presse unerwähnt geblieben war, machten sie darauf aufmerksam, »daß auch in der hiesigen
Synagoge der 18. Oktober durch einen erhebenden Festgottesdienst gefeiert wurde, nach-

169 StAS Ho 233 II Nr. 5721.

170 sistieren - das Verfahren zu unterbrechen; hier: die Zahlung aufzuschieben.

171 am 8. August 1850. - StAS Ho 233 II Nr. 5721.

172 vermutlich bei Marx Haiden im Gasthaus zum Frohsinn.

173 Art. 4 der preußischen Verfassungsurkunde.

174 Verordnungs- und Anzeigeblatt der Königlich Preußischen Regierung zu Hechingen. Nro. 56. Mittwoch
den 23. Oktober 1850, S. 243.

175 «Zuruf an die Bewohner der Hohenzollernschen Lande.« In: Verordnungs- und Anzeigeblatt der
Königlich Preußischen Regierung zu Hechingen. Nro. 1. Donnerstag den 11. April 1850, S. 2.

176 Art. 14.

177 Art. 12.

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