Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
34(120).1998
Seite: 289
(PDF, 85 MB)
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»Es war wie überall, eben kleiner« - Französische Besatzung in Burladingen (1945-1948)

3.4. »JEDER, DER EIN BISSCHEN PLATZ HATTE, MUSSTE EBEN EINEN
NEHMEN« - FLÜCHTLINGSPROBLEMATIK

Nachdem die Sicherstellung der Ernährung der Bevölkerung wohl eine der schwierigsten
Aufgaben der Verwaltung in der ersten Zeit der Besatzung war, stellte bald die Aufnahme und
Unterbringung der aus den deutschen Ostgebieten einströmenden Flüchtlinge eine weitere,
nicht weniger wichtige Anforderung dar.

Die große Zahl der Vertriebenen und Geflüchteten brachte für die Verwaltung nicht nur
ein zusätzliches Ernährungsproblem mit sich, für die Neuankömmlinge mußten auch Wohnung
und Arbeit vermittelt werden. »Insgesamt gesehen verlief die Bevölkerungsentwicklung
in der französischen Zone im frühen Stadium der Besatzungszeit völlig anders als in den drei
übrigen Zonen, deren Einwohnerzahlen emporschnellten. Dies lag vor allem an der Weigerung
, Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten und aus der Tschechoslowakei aufzunehmen
. Die französische Regierung zog sich dabei mit formal-juristischen Argumenten aus der
Affäre. Frankreich sei an den Beschlüssen von Jalta und Potsdam nicht beteiligt gewesen, sagte
man in Paris. Die übrigen drei Großmächte hatten sich dort über Bevölkerungsbewegungen
geeinigt, die sich sehr bald in den unkontrollierten Massenvertreibungen aus den deutschen
Ostgebieten entluden«546. »Die ersten Flüchtlinge kamen in den Jahren 1945 und 1946
fast immer als Einzelpersonen oder familienweise nach Württemberg-Hohenzollern. Die meisten
von ihnen waren vor dem Einmarsch der Russen aus ihrer alten Heimat, aus Pommern,
Schlesien und Ostpreußen geflohen und hofften - viele aufgrund persönlicher Beziehungen -
hier Unterschlupf und Arbeit zu finden. Den Neuankömmlinge, die meist nur mit einem
Rucksack und Koffer ankamen, fehlte es an allem. Da sie in der Regel auch nicht gleich eine
Wohnung fanden, mußten sie zunächst in einem Lager untergebracht werden. Die einheimische
Bevölkerung, die besonders auf dem Land in beschränkten Wohnverhältnissen lebte,
zeigte sich gegenüber den Neuankömmlingen nicht immer aufnahmefreundlich. Vereinzelt
mußten diese sogar mit Polizeigewalt in die ihnen von den Bürgermeisterämtern zugeteilten
Wohnungen eingewiesen werden«547.

Die »Hohenzollerische Zeitung« berichtet über die Bevölkerungsentwicklung in Burladingen
: »Der Bevölkerungszuwachs in der zweitgrößten Kreisgemeinde Burladingen beruht im
Gegensatz zu Hechingen nur zu geringem Teil auf dem Zustrom von Ausgewiesenen. Hier
hat die jahrzehntelange Entwicklung der Industrie zu einem beständigen organischen Wachstum
der Bevölkerung geführt. Um die Jahrhundertwende zählte Burladingen 1856 Einwohner
. Vor dem Zweiten Weltkrieg waren es 2764, im Oktober 1946 2116 und am 31. Dezember
1949 3124. In dieser Zahl sind 235 Ausgewiesene und 25 Evakuierte enthalten, zusammen
nicht einmal zehn Prozent der Einwohnerschaft. Wohnungsmäßig ist Burladingen schlechter
gestellt als manche andere Kreisgemeinde. Daß es bis nach dem Ersten Weltkrieg eines der
ärmsten Dörfer des Kreises war, zeigt sich auch heute noch in dem Großteil seiner Wohnungen
. Die schönen Villen und einige stattliche Häuser können nur bei oberflächlicher Betrachtung
darüber hinwegtäuschen. Andererseits ist die Gemeinde eine der rührigsten im Wohnungsbau
, so daß sie in Kürze auch in stärkerem Umfang aufnahmebereit sein wird. Dazu
wird sie schon durch ihre Industrie gezwungen«548.

Eine auf Interviews basierende Schrift veranschaulicht die Situation der Flüchtlinge in Burladingen
, die Angaben finden heute jedoch nur vereinzelt Bestätigung. »Mit Ende des Krieges
kamen neue Probleme auf die Einheimischen zu. Viele Neuankömmlinge, zumeist heimatlose
Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten oder aus den zerbomten Städten des

546 Thies, Van Daak (wie Teil I, Anm. 142), S. 58.

547 Speidel (wie Teil 1, Anm. 133), S. 262.

548 Hohenzollerische Zeitung, 21.1.1950.

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