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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1999/0027
Alte Strukturen und neue Elemente während der Revolution von 1848/49 in Hohenzollern
2.2. SIGMARINGEN

In der Stadt Sigmaringen durften die Bürger ihren Schultheißen seit dem Mittelalter frei wählen
. Da dieser wegen des angewendeten Kooptationsverfahrens den Rat maßgeblich bestimmte
, konnte ein von der Herrschaft unbeeinflußtes Organ entstehen. Seit 1619 besaß die
Stadt zudem das vertraglich fixierte Recht, daß Schultheiß und Stadtschreiber in Konfliktfällen
zwischen Stadt und Herrschaft von ihren eidlichen Verpflichtungen gegenüber dem Fürsten
befreit waren. Dies bedeutete, daß die beiden wichtigsten städtischen Funktionsträger
aktiv die Interessen der Stadt gegenüber den Fürsten vertreten konnten. Rückhalt fanden sie,
außer bei der österreichischen Lehensherrschaft, in Rat und Bürgerschaft.

Für die Untertanen auf dem Lande konnte die Stadt bei Auseinandersetzungen ebenfalls
ihre offiziellen, verwaltungstechnischen Organisationsmöglichkeiten zur Verfügung stellen.
Diese politische und administrative Dominanz ließ die Stadt zum Zentrum bei Konflikten
mit den Fürsten werden, wenn es galt, gemeinsame (!) städtische und bäuerliche Interessen
zu verteidigen. Geschützt wurde der gesamte Verfassungsrahmen bis 1806 von Österreich,
wenn auch nicht zu jeder Zeit gleich intensiv27.

Mit der Stadtordnung von 1810, die nun für alle Städte des Fürstentums galt, blieb die
Wahl des Schultheißen (später: Bürgermeister) durch die Bürgerschaft erhalten. Allerdings
wurde die Stadtverwaltung gleichzeitig unter stärkere Aufsicht des Staates gestellt. Zudem
erfolgte 1837 bis 1840 die Beseitigung der städtischen Privilegien und damit eine rechtliche
Gleichstellung der Städte mit den Landgemeinden28. Dennoch stellten diese Änderungen die
führende Position der Residenzstadt nicht grundsätzlich in Frage, wie sich 1848 zeigte.

Insgesamt partizipierte die Stadtbürgerschaft in Sigmaringen bereits im 17. und 18. Jahrhundert
stets, insbesondere über die Bürgerversammlungen, an der städtischen Politik. Auf
diesen Mitwirkungsanspruch wurde größten Wert gelegt29. Von daher kann man von einer
gewissen »Politisierung« der Bürgerschaft hinsichtlich der städtischen Belange sprechen. Zu
der alten Bereitschaft, für die eigenen Interessen einzutreten, kam seit der Zeit des Vormärz
neues liberales Gedankengut hinzu, was sich 1848 entsprechend auswirkte. Zahlreiche Bürger
unterzeichneten am 5. März die an den Fürsten gerichtete Petition und engagierten sich
später auf liberaler oder radikal-demokratischer Seite. Wie in der Zeit vor 1806 traten im übrigen
wichtige Repräsentanten der Stadt, nämlich Bürgermeister und Stadtschreiber, während
der Revolution 1848/49 wiederum hervor30.

Als wesentliche Träger der Revolution kamen neu die Angehörigen des in der ersten Hälfte
des 19. Jahrhunderts entstandenen Bildungsbürgertums, wie es in der Sigmaringer Museumsgesellschaft
faßbar wird, hinzu, z.B. Beamte, Advokaten, Militärs oder Freiberufliche31.

27 Zekorn (wie Anm. 6), S. 26, S. 32 ff., S. 62 ff., S. 460 f., S. 470 ff.

28 Kuhn-Rehfus (wie Anm. 16), S. 63 ff. Gerade die Gleichstellung der Landgemeinden mit der Stadt
Hechingen stellte in Hohenzollern-Hechingen eine wichtige Forderung des Landes während der
Revolution von 1848 dar (Gönner [wie Anm. 4], S. 50 f.).

29 Zekorn (wie Anm. 6), S. 48 ff., S. 162 ff., S. 169, S. 305-363, S.472f., S.587: zur Bürgerschaft, der
Steuerumlage, Konflikten innerhalb der Stadt und Auseinandersetzungen mit der Herrschaft.

30 Gönner (wie Anm. 4), S. 38 f.; S. 39, S. 85, S. 95, S. 97 u. öfter: zu Bürgermeister Gastel; S. 24, S. 43,
S. 138 f, S. 144 f. u. öfter: zu Bürgermeister Carl Graf; S. 28, S. 188, S. 190: zu Stadtschreiber Gayer.

31 Zur Struktur der politischen Parteiungen in Sigmaringen 1848: Andreas Zekorn: Lesegesellschaften
und städtisches Bürgertum in Sigmaringen während der Revolution von 1848/49. In: Für die Sache der
Freiheit (wie Anm. 20), S. 73-95; zum traditionalen Stadtbürgertum und zu den neuen Bürgerlichen in Sigmaringen
: Ders. , Die Museumsgesellschaft und der Bürgerverein in Sigmaringen. Die Entwicklung zweier
Lesegesellschaften im 19. Jahrhundert. In: Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte 23 (1987), S. 53-
146, S. 57, bes. Anm. 3, S. 65, S. 91 ff. - Für Baden s. Kurt Hochstuhl - Regine Schneider: Politische Vereine
in Baden 1847-1849. In: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 146 (1998), S. 351-436.

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