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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1999/0051
Fünf Tage, die das Fürstentum erschütterten

Fünf Redner bestiegen die Tribüne, um die Zuhörer der Versammlung in ihrem Sinne zu
beeinflussen. Die Veranstaltung wurde eröffnet von Provisor Birkle von Trillfingen, der die
Zuhörer begrüßte, namentlich die aus Sigmaringen erschienenen Gäste52. Danach trat Carl
Otto Würth als Hauptredner nach vorn. In einem längern Vortrage zog der künftige Abgeordnete
des Fürstentums im Nationalparlament durch sein Aeußeres und die gewandte Rede
die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich. Würth entschuldigte sich zwar, daß seine Rede wegen
angegriffener Gesundheit^ kürzer ausfalle, war aber dennoch im Besitze aller oratori-
schen Kunstgriffe. Obwohl er sich nach der Einschätzung des Volksfreund-Berichterstatters
sichtbar müßigte, wußte der rhetorisch brillante Rechtsanwalt die Wünsche des Publikums
gehörig zu benützen. Dabei fielen auch mehrere Ausdrücke, deren Radikalität bei den Zuhörern
Widerspruch hervorrief. Würth setzte die Mittel zur Begründung freier Zustände auseinander
. Er forderte Preßfreiheit, Volksversammlungen, Volksbewaffnung und für unser
kleines Vaterland eine neue Verfassung. Seine Rede schloß er mit einem Vivat auf die große
demokratische und soziale deutsche Republik54, einem Hoch ... der deutschen Einheit und
Freiheit, Hecker und der Republik55.

Quirin Müller, Meinrad Kleiner und Gustav von Hoffstetter traten als weitere Redner auf.
Sie waren als Volksredner und Tribunen weniger begabt und vermochten die Aufmerksamkeit
des Publikums nicht mehr in dem Maße zu fesseln, wie es dem populären Würth zuvor
gelungen war. Ohnehin war den Äußerungen Würths, Kopf der Demokraten im Fürstentum,
die größere Bedeutung beizumessen. Vielleicht hatten die Demokraten auch eine gewisse Arbeitsteilung
verabredet, nach der Würth für die allgemeinen politischen Forderungen zuständig
war, seine Begleiter aber für die tagespolitischen Sorgen der Zuhörer. Die Redner nach
Würth hatten wohl auch die Aufgabe, die Stimmung zu halten. Müller und Kleiner gelangen
tatsächlich »einige gute Volkswitze«, die noch einmal allgemeine Beachtung fanden56.

In Aussicht gestellt wurden von den Rednern mögliche sinnliche Genüsse durch die Republik
, schrieb der Volksfreund im Oktober allgemein, die Reden hätten allerdings eine weniger
besonnene Versammlung ... aufreitzen können57. Die Fürstliche Regierung in Hechingen
fand, daß die Reden beinahe alle nach demselben Muster verfaßt waren und dem Stil derartiger
Volksversammlungen entsprachen: Die Fürsten wurden mit Räubern verglichen und die
fürstlichen Schlösser mit Raubhöhlen, in denen die Schätze des Volkes aufgespeichert seien.
Mehrere der ersteren, so wurde gesagt, rüsten sich zu gehen. Man solle ihnen zuvor die Seckel
und Truhen leeren und sie dann zum Teufel laufen lassen5*.

Die Sigmaringer Demokraten gingen auch auf ihre Zuhörer aus dem Fürstentum Hohen-
zollern-Hechingen ein, deren Stimmungen sie offenbar genau kannten. »In einer der Reden«,

52 Der Volksfreund aus Hohenzollern Nr. 63/29.09.1848. Die Formulierung läßt offen, ob der Provisor
die Sigmaringer Demokraten mit Nennung ihrer Namen oder allgemein als besonders erwähnenswerte
Gäste begrüßte. Denkbar ist beides.

53 Einige Tage nach der Trillfinger Volksversammlung wurde Würth bettlägerig und lag offenbar längere
Zeit »schwerkrank zu Hause«, Eberhard Gönner, Revolution (wie Anm. 2) S. 137, 144. Nach dem
Verordnungs- und Anzeige-Blatt Sigmaringen Nr. 43/22.10.1848 S. 444 und Nr. 47/19.11.1848 S. 492 waren
öffentliche Sitzungen des Fürstlichen Hofgerichts Sigmaringen, in denen Würth als Anwalt bestellt
war, für den 28.10.1848 und 25.11.1848 angesetzt. Sein Mandat als Mitglied der Nationalversammlung in
Frankfurt trat Würth erst kurz vor Weihnachten 1848 an, Ders., Revolution (wie Anm. 2) S. 145. Die
Frage, ob die Erkrankung Einfluß auf die sich an die Trillfinger Versammlung anschließende Entwicklung
in Sigmaringen hatte, ist offenbar bislang nicht gestellt worden.

54 Der Volksfreund aus Hohenzollern Nr. 63/29.09.1848. Der Bericht hebt gleichzeitig hervor, daß
Würth trotz der radikalen Töne seiner Rede -wie ein gewandter Fährmann die gefährlichen Klippen des
Kommunismus zu umschiffen wußte.

55 StAS Ho I 759. Bericht der Regierung Hechingen an Freiherr Adolph von Holzhausen 27.09.1848.

56 Der Volksfreund aus Hohenzollern Nr. 63/29.09.1848.

57 Ebd. Nr. 67/13.10.1848.

58 StAS Ho I 759. Bericht der Regierung Hechingen an Freiherr Adolph von Holzhausen 27.09.1848.

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