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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1999/0059
Fünf Tage, die das Fürstentum erschütterten

Die Volksversammlung fand am Dienstag nachmittag statt, am 26. September. Mehr als
3000 Teilnehmer - weitaus mehr, als Sigmaringen Einwohner zählte - sollen die Reden
Wurths und Quirin Müllers, die beide auch in Trillfingen sprachen, gehört haben. Anders als
in Lörrach und in Rottweil wurde in Sigmaringen zwar nicht die Republik ausgerufen oder
die Volkssouveränität verkündet, doch die Beschlüsse kamen einem Umsturz nahe. Gebildet
wurde nach dem Vorbild der Rottweiler Volksversammlung ein Sicherheitsausschuß, beschlossen
wurde die Verwahrung der Waffen im Sigmaringer Rathaus. Fast die gesamte Reisegruppe
, die am Wochenende zuvor die Fahrt nach Trillfingen unternommen hatte, wurde
in den Sicherheitsausschuß gewählt, Würth als Vorsitzender, Hoffstetter, Müller und Graf als
Mitglieder. Die Forderung nach Auslieferung der Waffen trug der Ausschuß, begleitet von
den Teilnehmern der Versammlung, der Sigmaringer Regierung vor. Regierungschef Mock
vertrat die Auffassung, die Einsetzung des Ausschusses sei gesetzeswidrig, gab aber unter
dem Eindruck der unruhig wartenden Volksmenge nach und gestand die Übernahme der
Waffen zu. Mitglieder des Turnvereins Sigmaringen holten die Waffen in der Kaserne Gorheim
und brachten sie in das Rathaus79.

Fürst Carl Anton und seine Regierung benötigten einen Tag, um ihre Entscheidungen zu
treffen. Am Abend des 27. September - in Hechingen waren gerade die Gerüchte über die bevorstehende
Absetzung eingegangen - setzte Carl Anton auf Schloß Inzigkofen um 18 Uhr
seine Unterschrift unter den Aufruf An das Sigmaringen'sche Volk*0. Darin bezeichnete er
die Einsetzung des Sicherheitsausschusses als eine offen ausgesprochene Auflehnung und die
Begleitumstände bei der Übernahme der Waffen als offene[n] Aufruhr... Ich begebe Mich daher
mit meiner Regierung in's Ausland, fuhr Carl Anton fort und erklärte, unverweilt den für
solche Fälle schon bevollmächtigten Commissär der deutschen Centralgewalt in Kenntniß zu
setzen, damit er durch die ihm zu Gebot stehenden Mittel den durch frevelhafte Hand in
Meinem Land gestörten Rechtszustand wieder herstelle. Zwei Regierungsbeamte wurden mit
diesem Auftrag betraut, dann brach Carl Anton auf nach Überlingen. Dort fühlte er sich
sicher.

Der Sicherheitsausschuß reagierte auf diese Wendung nicht, jedenfalls nicht mit der That,
zu der er sich in Trillfingen und in Sigmaringen hatte ermächtigen lassen. Er übernahm nicht
die Regierungsgeschäfte, sondern verfaßte eine langatmige Rechtfertigung seines Vorgehens,
in der mit Datum vom 28. September der Schritt der Regierung als räthselhafte und wirklich
remarkable Flucht bezeichnet und die Bürger aufgefordert wurden, das Gesez [zu] handhaben
, und die Dinge, die da kommen werden, ruhig abfzujwarten. Für sich sah der Ausschuß
unter den gegenwärtigen Umständen nur die Aufgabe, von diesem Vorgang Nachricht an das
Pärlament zu geben und so weit an uns liegt, die Ordnung in bisheriger Weise aufrecht zu erhalten91
. Drei Mitglieder des Ausschusses, Gustav von Hoffstetter, Carl Graf und Quirin

hard Gönner, Revolution (wie Anm. 2) S. 133. Vermutlich handelte es sich bei dem Brief um eines der
noch vor dem Druck der Proklamation auf den Weg gebrachten »offenen Schreiben«, die nach Sauer,
S. 54, 73, am 24.09.1848 an eine Anzahl württembergischer Städte gingen. Nach der Aussage von Gerichtsaktuar
Gmelin im Rottweiler Prozeß gegen Gottlieb Rau gingen auch von Balingen, also am
26.09.1848, Couriere in die Umgebung, darunter auch einer nach Sigmaringen, Rottweiler Schwurgerichts
-Blatt (wie Anm. 34) S. 98. In Balingen war Rau nach einer weiteren Zeugenaussage am 26.09.1848
zudem bekannt, die Sigmaringer haben das Zeughaus gestürmt und kommen da drüben herunter. Die
Aussage kommentierte Rau mit der Bemerkung, er habe gemeint, die Sigmaringer ziehen wohl nach
Hechingen, aber nicht nach Cannstatt, Rottweiler Schwurgerichts-Blatt (wie Anm. 34) S. 103. Es gab
also offenbar weitere Verbindungen zwischen Rau und Würth, die von der Forschung bisher nicht beachtet
worden sind.

79 Eberhard Gönner, Revolution (wie Anm. 2) S. 134 f.

80 Verordnungs- und Anzeige-Blatt Sigmaringen Nr. 40/01.10.1848 S. 383 f. Der Sigmaringer Erzähler
Nr. 79/03.10.1848 S. 249.

81 Der Sigmaringer Erzähler Nr. 79/03.10.1848 S. 250.

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