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Revolutionäre Beamte?

schmiedegesellen zog die Menge anschließend durch die Stadt und sang das Lied des Räuberchors
aus Schillers Räuber Ein freies Leben führen wir, ein Leben voller Wonne.

Dem Polizeibeamten und dem Oberamtsrichter wurden in der folgenden Nacht »Katzenmusiken
« dargebracht. Diese Katzenmusiken stellten im Vormärz und während der Revolutionszeit
ein beliebtes Mittel dar, um mißliebige Mitmenschen in der Öffentlichkeit bloßzustellen
: nachts zog man, eventuell maskiert, unter Trommeln und Pfeifen vor das Haus der
betreffenden Person, oft eines Vertreters der Staatsgewalt, um dort lautstark das Mißfallen
über den Betreffenden und seine Verhaltensweise zum Ausdruck zu bringen. Auch Fensterscheiben
wurden bei solchen Aktionen eingeworfen. Es war eine traditionelle, volkstümliche
Form von Strafaktion, eine Art bürgerlicher »Gegenöffentlichkeit«. Vor allem waren die
Katzenmusiken ein Mittel der Unterschichten, die keine andere Artikulationsmöglichkeit
besaßen. Aufgestauter Aggression wurde ein Ventil geschaffen25.

In Balingen veranstaltete nun eine große Menge Menschen, darunter viele Frauen, am
6. Mai Oberamtsrichter von Hörner, Gerichtsdiener Kolb und Stationskommandanten
Süppel eine Katzenmusik. Oberamtmann Leemann sah sich bei dieser Gelegenheit nicht
gemüßigt einzuschreiten, was ihm später vorgeworfen wurde26. Wegen des Willküraktes
der Gefangenenbefreiung wurden zwei Monate später einige angesehene Baiinger Bürger
zu Festungshaft verurteilt.

Anzufügen bleibt an dieser Stelle, daß, wie andernorts auch, in Balingen eine Bürgerwehr
im Laufe des Jahres 1848 gegründet wurde, die während der Rau'sehen Unruhen noch eine
Rolle spielen sollte.

3. DER FALL DES OBERAMTMANNS LEEMANN

So stellte sich die Lage dar, als die Ereignisse auf einen gewissen revolutionären Höhepunkt
in Balingen und einen verhängnisvollen persönlichen Wendepunkt im Leben Leemanns hintrieben
. Wie bereits eingangs ausgeführt, war ein Vorbote der sogenannten »Rau'schen Schilderhebung
« das Treffen führender revolutionärer Köpfe aus Württemberg und Hohenzol-
lern im Baiinger Gasthaus »Zum Schwanen« am Samstag, dem 23. September.

Gottlieb Rau, Glasfabrikant aus Gaildorf, Wortführer der demokratisch-republikanischen
Linken in Württemberg und Herausgeber der republikanischen Zeitschrift »Die
Sonne«, propagierte im September 1848 auf verschiedenen Volksversammlungen seine demokratischen
Zielsetzungen. Bei einer Volksversammlung am 24. September in Rottweil
rief Rau die Bevölkerung von Stadt und Umland zum bewaffneten Marsch nach Cannstatt
auf, um beim dortigen Volksfest die Republik zu verkünden. Auf dem Weg nach Cannstatt
beabsichtigte Rau, möglichst viele Personen zur Teilnahme am Zug zu bewegen. Zur Umsetzung
seines Vorhabens ließ Rau Flugblätter drucken, worin er die wehrhafte Mannschaft
dazu aufrief, sich in Bewegung nach Stuttgart zu einem großen Volkstag zu setzen, um die
Souveränität des Volkes zur Geltung zu bringen. Die Marschroute sollte von Rottweil über
Balingen und Tübingen nach Stuttgart führen27.

25 Zu den Katzenmusiken: Wolfgang Kaschuba/Carola Lipp: Revolutionskultur 1848. Einige
(volkskundliche) Anmerkungen zu den Erfahrungsräumen und Aktionsformen antifeudaler Volksbewegung
in Württemberg. In: Zeitschr. für Württ. Landesgeschichte 39 (1980), S. 141-164, bes. S. 148 ff.;
Wolfram Siemann: Die deutsche Revolution von 1848/49. Frankfurt/M. 1985, S. 179 ff.

26 HStAS, E 146, Bü 2729, fol. 24 ff. (ad Quadr. 16).

27 Zitate aus dem Flugblatt Gottlieb Raus: Sauer, Gottlieb Rau und die revolutionäre Erhebung, 1998
(wie Anm. 1), S. 57. - Gottlieb Rau wurde am 15. Januar 1816 in Dürrwangen bei Balingen geboren.
Nach dem Scheitern der »Rauschen Schilderhebung« im September 1848 nahm man Rau fest und inhaftierte
ihn auf dem Hohenasperg. In Rottweil fand von Januar bis März 1851 der Prozeß gegen Rau statt.

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