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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1999/0074
Andreas Zekorn

An jenem Sonntag, als die Volksversammlung in Rottweil stattfand, gab es abends auf der
Post in Balingen eine Abendgesellschaft von Honoratioren, bei welcher Oberamtmann Leemann
im Gespräch mitteilte, daß er anderntags eine Dienstreise nach Tailfingen zur Prüfung
der dortigen Gemeinderechnung unternehmen müsse. Einer der Anwesenden bemerkte darauf
ihm gegenüber, ob er keine Bedenken trage, die Stadt bei ihrer gegegenwärtigen bedrohten
Lage zu verlassen28. Der Oberamtmann ließ sich aber nicht von seiner Reise abhalten.
Leemann erklärte, daß das Gefährt schon bestellt sei und man außer Gerüchten nichts Genaues
über den Verlauf der Rau'sehen Unternehmungen wisse. Bei der Abendgesellschaft, so
Leemann später, sei man der Ansicht gewesen, daß aus der Sache Raus nichts werde und das
Unternehmen zumindest in Balingen keine Teilnahme finden dürfte. Zudem meinte der
Oberamtmann, daß vor Montag abend nicht mit dem Eintreffen der Rau'sehen Scharen zu
rechnen gewesen sei, womit er wohl recht hatte.

Wie der Kenntnisstand über das Unternehmen Raus am Sonntag abend in Balingen tatsächlich
war, konnte in dem Verfahren gegen Leemann nicht geklärt werden. Doch dürfte
man an diesem Abend noch nichts davon gewußt haben, daß die Rau'sehen Freischärler am
übernächsten Tag nach Balingen kommen würden. Allenfalls existierten Gerüchte. Erst am
Montag gab es wahrscheinlich sicherere Nachrichten über das Rau'sehe Unternehmen, nachdem
in Rottweil anwesende Baiinger über die Volksversammlung berichteten und die
Proklamation Raus, in der er zum Zug nach Cannstatt aufrief, in Balingen eintraP9.

Vor seinem Aufbruch am Montag, dem 25. September, hinterließ Leemann dem Baiinger
Stadtrat möglicherweise noch ein Reskript, daß dieser Ordnung halten solle, sonst sehe sich
Leemann dazu gezwungen, Militär anzufordern30. Am Morgen reiste Leemann mit der Postkutsche
nach Ebingen und begab sich von dort, zusammen mit Verwaltungsaktuar Grotz,
der Ende März von seinem Ebinger Stadtschultheißenamt zurückgetreten war31, nach Tailfingen
. Und dies zu Fuß, wie ihm später ebenfalls vorgehalten werden sollte, denn Eile habe
er in Anbetracht der Lage überhaupt keine gezeigt. In Tailfingen wurde bis Mittag die Rechnung
geprüft, anschließend begaben sich Leemann und Grotz, wiederum zu Fuß, zurück
nach Ebingen, allerdings ohne zuvor ein Mittagessen eingenommen zu haben.

In Balingen hatten sich mittlerweile die bedrohlichen Vorzeichen gemehrt. Man sprach,
nach Aussage des Oberamtsaktuars Mayer, von einer drohenden Gefangenenbefreiung und

Wegen versuchten Hochverrats wurde er zu 13 Jahren Festungshaft verurteilt. 1853 begnadigte der König
Rau und schob ihn und seine Familie nach den Vereinigten Staaten von Amerika ab. In New York
unterhielt Rau einen Gasthof für deutsche Auswanderer. Dort verstarb er vermutlich bereits im Oktober
1854. - Literatur zu Gottlieb Rau: Sauer, Gottlieb Rau (wie Anm. 1); Peter Müller: Württemberg und
die badischen Erhebungen 1848 - 1849. Tübingen 1953 (Phil. Diss., maschinenschr.); Mann, Die Württemberger
(wie Anm. 22), S. 201 ff.; Eberhard Sieber: Gottlieb Rau und »Die Sonne«, die erste republikanische
Zeitung Württembergs. In: Zeitschr. für Württ. Landesgeschichte 33 (1974), S. 183-235; Klaus-
Peter Eichele: Traum und Fiasko des Gottlieb Rau (1816 - 1854). Leben und Zeit des Revolutionärs
und Glasfabrikanten aus Dürrwangen. Tübingen 1991.

28 HStAS, E 146, Bü 2729, fol. 23 (ad Quadr. 16): Aussage Maier.

29 HStAS, E 146, Bü 2729, fol. 6r.

30 HStAS, E 146, Bü 2729, fol. 23 (ad Quadr. 16): Aussagen des Präceptors Maier, des Oberamtsarzts
Dr. Arnold, des Dekans und des Oberamtmanns Leemann. Sodann: Bericht der königl. Regierung des
Schwarzwaldkreises an das Ministerium des Innern, 27.6.1851, ebd. fol. 50 (Quadr. 25). - Laut Bericht
der Regierung des Schwarzwaldkreises an das Ministerium des Innern vom 12.5.1851 hatte es sich nicht
bestätigt, daß Leemann dem Stadtrat ein Reskript hinterließ (ebd., fol. 36).

31 HStAS, E 146, Bü 2729, fol. 73. - Johannes Grotz (*8.3.1810 Ebingen, +7.5.1888) war bis Ende März
1848 Schultheiß von Ebingen. Er reichte am 21. März sein Gesuch auf Amtsenthebung ein, nachdem ihm
in seinem Haus die Fensterscheiben eingeworfen worden waren. Am 3. April 1848 wurde Daniel Ludwig
Glanz zum Ebinger Stadtschultheißen gewählt. Grotz betätigte sich daraufhin als Amtsaktuar unter anderem
in Onstmettingen und Tailfingen (Freundl. Mitteilung Peter Thaddäus Lang, Stadtarchiv Albstadt
).

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