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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1999/0079
Revolutionäre Beamte?

so dar: Er sei der Ansicht gewesen, daß aus der Rau'sehen Sache nichts würde. Falls sich das
Gerücht aber doch bewahrheiten sollte, dann hätte der Rau'sehe Zug nicht vor Montag abend
in Balingen eintreffen können. Deswegen habe er keinen Anlaß gesehen, das lange vorgenommene
Dienstgeschäft nicht auszuführen54.

Diese Rechtfertigung wurde im Ministerium zur Kenntnis genommen und festgehalten,
daß Leemann nicht absichtlich nach Tailfingen gereist sei, um Unannehmlichkeiten zu entgehen
. Weil am Montag in Balingen zudem nichts Erhebliches vorgefallen war, wurde ihm wegen
dieser ersten Anschuldigung nur der Vorwurf der Fahrlässigkeit, des Leichtsinns und der
Kurzsichtigkeit gemacht55.

Der zweite Punkt hatte zum Inhalt, daß Leemann beim Auftritt des Sergeanten Gauggel
nicht eingeschritten war und die Verteilung der Rau'sehen Proklamation nicht verhindert
oder Gauggel gar verhaftet hatte. Er hätte sich hier passiv verhalten. Leemann verantwortete
sich damit, daß auch in Ebingen viel Aufregung gewesen sei und er befürchtete, bei der Verhaftung
einen Tumult herbeizuführen, bei dem die gesetzliche Gewalt wegen Mangels an verfügbaren
Kräften hätte unterliegen müssen. Ein zwingender Grund für eine Verhaftung
Gauggels wäre zudem nicht vorgelegen. Dieser Vorwurf allein hätte Leemann nur eine Rüge
eingebracht, so das Ministerium.

Drittens wurde Leemann weitgehend passives Verhalten beim Eintreffen des Rau'schen
Zuges vorgeworfen. Leemann rechtfertigte sich in der bereits erwähnten Weise unter anderem
damit, daß er keine Machtmittel zur Verfügung hatte und abwarten wollte, bis sich die
tolle Raserei in Balingen über Nacht gelegt hatte. Das Ministerium gestand in diesem Punkt
Leemann zu, daß er sich nicht untätig verhalten hatte, aber durch die Übermacht der Verhältnisse
gezwungen gewesen sei, entscheidende Schritte gegen Rau und sein Unternehmen zu
unterlassen. Immerhin hätte er Rau anderntags verfolgt, doch ergebnislos.

Nur die beiden ersten Punkte, daß der Oberamtmann seinen Dienstort in einer gefährlichen
Lage verlassen hatte und nicht gegen Gauggel eingeschritten war, ließen Leemanns
Verhalten in einem ungünstigeren Licht erscheinen, so das Ministerium. Allerdings sei zu beachten
, daß die Ereignisse des Jahres 1848 vielfach auf die Verwaltungsorgane entmutigend
gewirkt hätten. Viele Mißgriffe hätten ihren Grund in der umgebildeten Uebermacht der
Verhältnisse und der daraus gefolgten Befangenheit und Rathlosigkeit gehabt. Dies träfe ins-
beondere auf die Landbeamten zu, die vereinzelt, ohne sicheren Rückhalt und ohne Führung
stehend mehr als andere das Schwankende der Zustände zu empfinden hatten. Schließlich lägen
die Vorfälle schon einige Jahre zurück, so daß kein ganz zuverlässiges und objektives Urteil
mehr zu fällen sei.

Oberamtmann Leemann hatte sich immer darauf berufen, daß seinem Benehmen weder
böser Wille noch Mangel an Mut zu Grunde lagen, sondern daß er so handelte, wie er nach
seiner Beurteilung der Verhältnisse handeln zu dürfen und zu sollen geglaubt habe. Dieser
Aussage wurde vom Ministerium Glauben geschenkt, da Leemann bisher den Ruf eines
treuen und der Regierung ergebenen Beamten hatte und von vielen Stimmen als conserva-
tiver Mann bezeichnet wurde56.

Bei der gesamten Untersuchung war nur einmal der Verdacht geäußert worden, daß Leemann
nicht deswegen öffentlich und energisch auftrat, weil er am Erfolg eines solchen Un-

54 HStAS, E 146, Bü 2729, fol. 96 (Quadr. 34): Bericht an den König vom 30.10.1851.

55 HStAS, E 146, Bü 2729, fol. 69 (Quadr. 32): Vonrag beim Ministerium, 28.8.1851; fol. 96 (Quadr. 34):
Bericht an den König vom 30.10.1851. - Der Vorwurf der Regierung des Schwarzwaldkreises im Gutachten
vom 26.6.1851, daß sich Leemann bei der Lage der Dinge überhaupt an seinem Amtssitz hätte befinden
müssen und sich nicht wegen eines relativ unbedeutenden Geschäfts aus der Amtsstadt hätte bewegen
dürfen, dieser Vorwurf wurde vom Ministerium damit nur indirekt aufgegriffen und gerügt.

56 HStAS, E 146, Bü 2729, fol. 90-98: Anbringen des Ministeriums des Innern an den König, 30. 10.
1851.

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