Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1999/0094
Andreas Zekorn

hende konstitutionelle Beiblatt zum Verordnungs- und Anzeigeblatt Sigmaringen rief am
10. Juni zum bewaffneten Kampf und zur Verteidigung der Errungenschaften auf, die von
einigen Königen bedroht seien und gewaltsam wieder entrissen werden sollten134.

Zur Verteidigung der Reichsverfassung wurde die Bürgerwehridee wiederbelebt. In einer
Eingabe der Gemeinden des Oberamts Haigerloch, die immerhin 370 Unterschriften trug, an
die fürstliche Regierung forderte man, daß die Waffen für die Bürgerwehr aus den Orts- und
Landessteuerkassen angeschafft werden sollten. Die Eingabe datiert vom 7. bzw. 11. Mai
1849. Zudem wurde am 11. Mai in Haigerloch ein Befehlshaber für die Bürgerwehr gewählt135
. An dieser Reorganisation der Bürgerwehr war Oberamtmann Clavel nicht ganz unschuldig
. Am 9. Mai erließ Clavel an alle Bürgermeister seines Bezirks ein mit dem Dienstsiegel
versehenes Rundschreiben. Darin forderte der Oberamtmann die Bürgermeister auf, sich
für einen Kampf zu rüsten, welchen das Volk mit wenigen, aber mächtigen Fürsten um deren
unumschränkte Macht zu kämpfen habe. Er rief zur Rüstung für einen Vernichtungskampf
gegen dieses verderbliche System auf136. Obwohl auch zu einem späteren Zeitpunkt das
konstitutionelle Beiblatt mit ähnlichen Worten vom Kampf gegen einige Könige sprach, so
geht der Aufruf Clavels doch darüber hinaus, denn er rief nicht nur zum Kampf mit den wenigen
Fürsten auf, sondern zugleich auch zum Kampf gegen das System. Dies war klar ein
Aufruf zur Revolution, ein Aufruf zur bewaffneten Empörung, wie im späteren Untersuchungsbericht
festgehalten wurde137. Wie weit die Worte aber zu fassen sind, ist nicht zu entscheiden
: rief Clavel lediglich zum Sturz des bestehenden, von den Fürsten beherrschten
Systems auf, das die Durchsetzung der Reichsverfassung verhinderte, oder meinte er gar den
Sturz der Fürsten überhaupt und die Einführung einer Republik?

Die kurz darauf eintretenden Ereignisse machten die Gedanken an Bürgerwehr und bewaffnete
Erhebung bald überflüssig. Der preußische Oberst von Kusserow rückte am 3. August
1849 mit einem Regiment in Sigmaringen ein, am 6. August folgte die Besetzung
Hechingens. Die Bevölkerung fand sich rasch mit der neuen Lage ab, in Hechingen wurden
die Preußen sogar freundlich begrüßt. Die Einsicht, daß die kleinen Fürstentümer nicht mehr
länger weiterbestehen konnten, hatte auch in der hohenzollerischen Bevölkerung eine Mehrheit
gefunden und man zog der bisherigen Ungewißheit über die Zukunft den nun fast gewissen
Anschluß an Preußen vor. Und so geschah es auch: am 12. März 1850 wurde dem Gesetz
über die Vereinigung der Hohenzollerischen Fürstentümer mit dem Preußischen Staatsgebiet
von den preußischen Kammern zugestimmt138.

Für Oberamtmann Clavel hatte der nun erfolgte tatsächliche Umsturz der Verhältnisse,
der anders als von ihm gewünscht verlief, schwerwiegende persönliche Folgen. Am 8. April
1850 wurde Clavel vorläufig durch den königlich-preußischen Kommissar für die hohenzollerischen
Lande, Freiherr von Spiegel-Borlinghausen, vom Dienst suspendiert, und das
Oberamt Haigerloch dem Oberamtmann von Glatt, Konrad Harz139, übertragen. Das Verfahren
gegen Clavel kam durch zwei anonyme Schriften ins Rollen: bereits am 7. November
1849 erreichte Fürst Karl Anton140 eine anonyme Eingabe, worin Clavel das Wirken in demokratischem
Sinn,... Verwünschungen gegen die deutschen Fürsten und insbesondere gegen
den deutschen König sowie der Aufruf an die Bürgermeister zum bewaffneten Freiheitskampf
vorgeworfen wurde. Die anonyme Schrift erfuhr zunächst keine Beachtung, doch als

134 Gönner, Revolution (wie Anm. 1), S. 151; VuABl.Sig. Nr. 23 (10.6.1849; Beiblatt).

135 StadtA Haigerloch, Akten 623: Protokoll vom 11.5. und Reskript vom 12.5.1849.

136 StAS, Ho 235 I, I, R, 598: Untersuchungsbericht von Salkvürks, 25.4.1850.

137 StAS, Ho 235 I, I, R, 598: Untersuchungsbericht von Sallwürks, 25.4.1850.

138 Gönner, Revolution (wie Anm. 1), S. 185 f., S. 188 ff., S. 192 f.

139 Zu Konrad Harz: Andreas Zekorn: Konrad Harz. In: Amtsvorsteher (wie Anm. 3), S. 303 f.

140 Zu Karl Anton: Hugo Lacher: Fürst Karl Anton von Hohenzollern. In: Kallenberg (Hg.) Ho-
henzollern (wie Anm. 68), S. 476-480; Gönner, Revolution (wie Anm. 1), bes. S. 34, S. 126 u. öfter.

8C


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1999/0094