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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1999/0096
Andreas Zekorn

litischer Aufregung besonnenen Rat gegeben und habepolizeyliche Excesse und Unordnung
verhindert und unterdrückt147.

Das weitere Vorgehen gegen Clavel gestaltete sich aber als rechtlich gar nicht so einfach.
Clavel war als Oberamtmann zugleich Richter und konnte als solcher nach Artikel 87 der
Sigmaringer Verfassung ohne Gerichtsurteil weder seines Amtes enthoben, noch unfreiwillig
an eine andere Stelle versetzt werden. Anton von Sallwürk riet in seinem Bericht an Regierungskommissar
von Spiegel von einer gerichtlichen Verfolgung ab. So sei es wohl nicht
wünschenswert, wenn Preußen gleich zu Beginn seiner Regierung schon mit äußerster Strenge
eingreifen würde. Auch gebe es Gründe, Clavel zu schonen. Zudem könnte die Sache bei
der mangelhaften Einrichtung der Geschworenengerichte in Hohenzollern leicht zum Vorteil
des Angeklagten ausgehen. Sallwürk befürchtete damit wohl, daß die Geschworenengerichte
noch mit zu vielen Personen, die mit den revolutionären Ideen sympathisierten, besetzt sein
könnten. Die Geschworenengerichte waren ja gerade eine Errungenschaft der Revolution148.
Der Regierungsvorsitzende riet deshalb zu maßvollem Vorgehen: Clavel sollte überredet
werden, sich unter gleichem Rang und mit gleichem Gehalt von Haigerloch wegversetzen zu
lassen. Er schlug eine Versetzung an die wegen (ihrer) Lage, der Verhältnisse des Amtsorts,
der Dürftigkeit seiner Einwohner und der vielen Geschäfte unangenehmste aller Oberamtsstellen
vor: das Oberamt Glatt149.

Von Spiegel setzte in seinem Bericht an die vorgesetzten Minister in Berlin, Innenminister
von Manteuffel und Justizminister Simons, nochmals die Rechtsproblematik auseinander:
Auf die Geschworenengerichte in Hohenzollern könne man nicht zählen. Preußische Gesetze
seien unter anderem deshalb schwierig anzuwenden, weil die Vorfälle zu einer Zeit geschahen
, als Preußen noch nicht Landesherr gewesen sei. Der Regierungskommissar griff hier
also auf den Rechtsgrundsatz zurück: »nulla poena sine lege«, keine Bestrafung ohne Gesetz.
Insgesamt schlug er ein nachsichtiges Vorgehen und eine freiwillige Versetzung vor. Die Politik
Spiegels und der ihm nachfolgenden königlichen Kommissare war darauf ausgerichtet,
auf Eigenart und Gefühle der neuen Untertanen Rücksicht zu nehmen und damit die preußische
Reputation aufzubessern150.

Clavel, der wegen des schwebenden Verfahrens verständlicherweise psychisch stark angegriffen
war und auch noch die kleine Wohnung in Haigerloch mit der Familie seines Amtsnachfolgers
teilen mußte, erklärte sich rasch mit einer Versetzung einverstanden151. Allein die
preußischen Minister des Innern und der Justiz waren dagegen und erklärten, daß ein Mann
wie Clavel, gegen den solche begründeten Vorwürfe erhoben würden, ungeeignet zur Verwaltung
eines polizeilichen und richterlichen Amtes sei. Von einem Strafverfahren gegen
Clavel wollten sie jedoch wegen der Unsicherheit der Geschworenengerichte absehen. Die
Minister schlugen statt dessen im September 1850 vor, nach Paragraph 12 des provisorischen

147 StadtA Haigerloch, Akten 15: Erklärung der Bürgermeister von Haigerloch, Gruol, Stetten, Hart,
Höfendorf, Bittelbronn, Imnau, Trillfingen und Heiligenzimmern vom 11.4.1850.

148 Die Einführung von Geschworenengerichten war als eine der ersten revolutionären Forderungen in
Sigmaringen erhoben worden; die Schwurgerichte wurden jedoch auf dem außerordentlichen Landtag
1848 nicht beschlossen (Gönner [wie Anm. 1], S. 38, S. 56, S. 122). Erst mit der Übernahme des Strafprozeßbuches
für das Großherzogtum Baden von 1845 am 18. Oktober 1848 in Hohenzollern-Sigmarin-
gen wurden Geschworenengerichte auch hier eingeführt (VuABl Sig. Nr. 43, 22.10.1848, S. 433 ff., Paragraphen
32 ff.).

149 StAS, Ho 235 I, I, R, 598: Berichte von Sallwürks, 25.4.1850; 6.5.1850.

150 StAS, Ho 235 I, I, R, 598: Bericht von Spiegels, 10.5.1850. Zum möglichst schonenden und behutsamen
Vorgehen Preußens beim Übergang Hohenzollerns auch: Kuhn-Rehfus, Übergang Hohenzollerns
(wie Anm. 145), S. 12 f. - Zu den in Preußen gültigen Disziplinarbestimmungen: Steinbach, Die Politische
Freiheit der Beamten (wie Anm. 5), S. 29 ff.; Hattenhauer, Beamtentum (wie Anm. 5), S. 222 ff.

151 StAS, Ho 235 I, I, R, 598: Schreiben Clavels vom 7.9.1850.

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