Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1999/0104
Edwin Ernst Weber

Hohenzollern-Hechingen trotz des ungleich höheren Unruhepotentials vor allem in der
konflikterfahrenen Landbevölkerung und des enormen Reformstaus in diesem weithin
noch immer vormodern-patriarchalisch strukturierten Ländchen Pfarrer Josef Blumen-
stetter die politische Bewegung nach der singulären tumultuarischen Eskalation vom
11. März 1848 in moderate, strikt gewaltfreie und Gesetz und Ordnung verpflichtete Bahnen
zu lenken und darin auch bis zum Schluß zu halten.

6. Entgegen der späteren Verklärung als selbstloser Verzicht im Dienste der nationalen Einigung
des Vaterlandes resultiert der von Fürst Karl Anton betriebene Anschluß der beiden
hohenzollerischen Fürstentümer an Preußen zum einen aus der in der Revolution offenbarten
Evidenz des Unvermögens, als souveräne Staaten fortzubestehen, zum anderen aus
dem Bestreben der beiden Fürsten, den strittigen Domänenbesitz als fürstliches Eigentum
zu retten, und zum dritten schließlich nicht zuletzt aus dem dynastischen Geschichtskult
auf Seiten des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV.

7. Die Revolution von 1848/49 und der Übergang an Preußen bedeuten das Ende der jahrhundertealten
Tradition des Untertanen-Widerstands in den hohenzollerischen Fürstentümern
. Zumal die Bürger von Sigmaringen entwickeln sich von chronisch renitenten und
widerständigen Untertanen, die mit ihren hohenzollerischen Ortsherren in beinahe stetigem
Konflikt um herrschaftliche Rechte und Leistungsansprüche liegen, geradezu zu Musterbeispielen
von obrigkeitshörigen, loyalen und devoten Untertanen. Plakativ formuliert
findet ein Wandel von der Renitenz zur Devotion statt. Dieser mentalitätsgeschichtlich
bislang noch kaum erforschte Bruch im politischen Selbstbewußtsein der hohenzollerischen
Bevölkerung seit 1848/49 könnte folgende Ursachen haben:

a) Nach der Übernahme der hohenzollerischen Fürstentümer durch Preußen war die
Machtfrage eindeutig geklärt. Vor dem Hintergrund des preußischen Vorgehens gegen
die badische Volkserhebung versprach eine Fortsetzung des tradierten Widerstands
keinerlei Aussicht auf Erfolg.

b) Über eine schonende politisch-administrative Behandlung sowie eine großzügige Infrastruktur
- und Wirtschaftsförderung hat sich Preußen die Loyalität seiner neuen hohenzollerischen
Untertanen zu einem guten Teil auch »gekauft«.11

c) Der Übergang der Staatssouveränität an Preußen und die Emigration der abgedankten
hohenzollerischen Fürsten 1849 bzw. 1850 entzieht dem Land die bisherigen Gegner
und die überkommenen Konfliktkonstellationen und -gegenstände. Die Rückkehr von
Fürst Karl Anton ins Land 1871 erfolgt als privilegierter Privatmann, in dessen Gefolge
wieder höfischer Glanz und wirtschaftliche Prosperität in die frühere Residenzstadt
Einzug halten.12

8) Parallelität der Revolutionshöhepunkte in Hohenzollern-Sigmaringen zu den zeitgleichen
Vorgängen in Baden und Württemberg: Der Septemberaufstand geschieht synchron zum
Aufbruch des Rau-Zuges von Rottweil nach Stuttgart am 25. September 1848 und zur
Ausrufung der Republik durch Struve in Lörrach am 21. September. Die Gammertinger
Versammlung am 3. Juni 1849 ist wie die Offenburger Versammlung in Baden und die
Reutlinger Versammlung in Württemberg als Fanal für die Unterstützung und Durchsetzung
der Reichsverfassung intendiert.13

11 Vgl. hierzu Kuhn-Rehfus (wie Anra. 2), Kallenberg (wie Anm. 2), S. 158-166, außerdem Wilfried
Schöntag: Vom Bauern zum Gewerbetreibenden. Die wirtschaftliche Entwicklung in Hohenzol-
lern vom 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts. Sigmaringen 1984.

12 Eine Deutung des mentalitätsgeschichtlichen Wandels in Hohenzollern aus sozialpsychologischer
Perspektive gibt in dieser Zeitschrift Casimir Bumiller: Die 48er Revolution in Hohenzollern mentalitätsgeschichtlich
betrachtet.

13 Vgl. hierzu auch Edwin Ernst Weber: Sigmaringen. In: Revolution im Südwesten (wie Anm. 3),
S. 567-573.

90


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1999/0104