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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1999/0107
CASIMIR BUMILLER

Die 48er Revolution in Hohenzollern
mentalitätsgeschichtlich betrachtet

Ich möchte zu den von Andreas Zekorn und Edwin E. Weber vorgetragenen Thesen, denen
man im grossen und ganzen zustimmen kann, nicht weiter Stellung nehmen. Ein einziges
Thema, auf das ich in meinem Beitrag zur Revolution in Hohenzollern1 am Rande hingewiesen
habe, liegt mir weiterhin am Herzen: die Frage nach der Mentalität und dem Mentalitätswandel
, der sich vor und im Verlauf der Revolution von 1848 bemerkbar machte. Im Grunde
muss man von zweierlei Wandlungsprozessen ausgehen, einem kürzerfristigen und einem relativ
langewährenden. Gemeint ist zunächst einmal der Wechsel von dem eruptiven, von Gewaltexzessen
begleiteten Revolutionsakt vom 11. März 1848 in Hechingen zu den reuevollen,
unterwürfigen und entschuldigenden Reaktionen schon wenige Tage und Wochen danach,
endend mit dem devoten Huldigungsakt vor dem preussischen König Friedrich Wilhelm IV.
im August 1851 auf dem Zoller. Genauer betrachtet ist dieser kurzzeitige Umschwung der
Gefühle und Verhaltensweisen der hohenzollerischen Untertanen eingebettet in einen langedauernden
Wandlungsprozess, der ins 18. Jahrhundert zurückreicht und wenigstens bis in
die wilhelminische Epoche anhält: nämlich der Wandel vom aufmüpfigen, widerstandserprobten
und gewaltbereiten bäuerlichen Untertan zum obrigkeitshörigen und »braven«
preussischen »Untertan«, wie ihn Heinrich Mann literarisch verewigt hat.

Ich kann mich, auf Bitten der Veranstalter der Tagung vom 10. Okt. 1998, zu dieser Problematik
im folgenden nicht in wissenschaftlich fundierter Weise, sondern allenfalls versuchsweise
, also in Form eines Essays äussern2.

1 Casimir Bumiller: »Es lebe die Freiheit und unser Fürst!« Die Rolle der Revolution von 1848 in der
hohenzollerischen Geschichte. In: Die großen Revolutionen im deutschen Südwesten, hg. von Hans-
Georg Wehling und Angelika Hauser-Hauswirth. Stuttgart 1998, S. 69-84.

2 Da ich im folgenden weitgehend auf Literaturhinweise verzichten werde, sei hier wenigstens kurz der
theoretische Horizont zwischen Mentalitätsforschung und Psychohistorie abgesteckt, in dem sich meine
Darlegungen bewegen. - Die im wesentlichen von der französischen Historiographie angeregte Mentalitätsforschung
befasst sich mit den typischen Gewohnheiten, Ritualen, Verhaltensweisen, Einstellungen,
Vorlieben, Abneigungen, Ängsten, Realitätsdeutungen und Sinngebungsmechanismen einer Gesellschaft
. Es geht also um charakteristische mentale Strukturen, die der Einzelne mit dem Gros der übrigen
Individuen einer Gesellschaft teilt. Erforscht werden Entstehung und Wandel kollektiver mentaler Prägungen
, die für den »geistigen« Zustand, religiöse Verankerungen und politische Haltungen dieser Gesellschaft
konstitutiv sind. Zur Einführung sei verwiesen auf Peter Dinzelbacher: Europäische Mentalitätsgeschichte
. Hauptthemen in Einzeldarstellungen. Stuttgart 1993, insbes. die Einleitung: Zur Theorie
und Praxis der Mentalitätsgeschichte, S. XV-XXXVII. - Die Psychohistorie ist in den USA und anderswo
seit Jahrzehnten im akademischen Rahmen verankert. In Deutschland war und ist das Fach umstritten
, steht aber derzeit wohl vor dem Durchbruch zur Anerkennung als historiografische Disziplin.
Psychohistorie trägt der an sich selbstverständlichen Tatsache Rechnung, dass der Mensch nicht nur eine
biologische und soziale, sondern auch eine psychologische Dimension besitzt und dass den psychischen
Dispositionen für das Fühlen, Denken und Handeln der Menschen im sozialen Zusammenhang erhebli-

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