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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1999/0110
Casimir Bumiller

sich die Bauern in Hohenzollern und anderswo dieser Ideologie und dieser einseitig definierten
Rolle gelegentlich entzogen und ihre Hand gegen den Landesvater erhoben, ihm somit
zeitweilig seine faktische Ohnmacht demonstrierten, hat die Fürsten zunehmend erbost und
verbittert, so dass wir es mit einer dialektischen Spirale des Auseinanderlebens von Untertanen
und Landesherrn zu tun haben.

Natürlich war die Zerrüttung der Verhältnisse in den hohenzollerischen Staaten nicht
nur ein persönliches Problem zwischen Fürsten und Untertanen, es hatte vielmehr einen
objektiven, im »System« begründeten Hintergrund. Die Fürstentümer Hechingen und Sigmaringen
waren seit dem 16. Jahrhundert zu klein, die Einkünfte der Fürsten zu gering, um
ihren reichsfürstlichen Repräsentationsansprüchen zu genügen. Folge war insbesondere in
Hechingen ein dramatisches Missverhältnis von Einkommen und Ausgaben, die Schulden
der Fürsten wuchsen ins Unermessliche. Die Versuche, aus den Untertanen herauszupressen
, was sie nicht hatten oder geben wollten, führte zu den bekannten Aufständen. Ob die
Fürsten des 17. und 18. Jahrhunderts insgeheim nicht doch ahnten, dass nicht die Bosheit
ihrer Untertanen, sondern die objektive Lage ihres Landes für ihre Misere verantwortlich
war, lässt sich nur schwer beantworten. Den Fürsten des frühen 19. Jahrhunderts war die
überlebte Kleinheit ihrer Duodezfürstentümer jedenfalls bewusst. Von Fürst Karl von Ho-
henzollern-Sigmaringen ist der Satz überliefert: Offenbar werden die kleinen Fürsten nicht
nur als überflüssig angesehen werden, sondern selbe dürften auch in der Wirklichkeit und
vollen Wahrheit entbehrlich und nutzlos sein7. Über beiden Fürstentümern, Hechingen und
Sigmaringen lag nach Kallenberg während des Vormärz ein »resignativer Zug«8, der sich
meines Erachtens aus dieser Einsicht speiste, in solch kleinen Staaten weder die modernen
politischen Reformen in vollem Umfang bewerkstelligen noch die wirtschaftlichen und sozialen
Rahmenbedingungen so gestalten zu können, dass die Untertanen an dem etwa in
Baden und Württemberg erkennbaren Fortschritt teilhaben konnten.

Verantwortlich für diesen unseligen politischen und sozialen Schwebezustand war Napoleons
Entschluss gewesen, bei seiner politischen Flurbereinigung von 1803 ff. die beiden hohenzollerischen
Zwergstaaten wider bessere Einsicht bestehen zu lassen9. Ein Anschluss an
Baden oder Württemberg, was bei einer Aufhebung der beiden Staaten 1803/05 wohl die
Konsequenz gewesen wäre, hätte den hohenzollerischen Untertanen wesentlich bessere Entwicklungsmöglichkeiten
geboten. Auch wenn wir heute als »gute« Hohenzollern über diese
theoretische Möglichkeit erschrecken mögen - die Hohenzollern hätten damals einen Anschluss
an Württemberg ebenso geschluckt wie die Rottenburger oder die Oberschwaben -
und sie wären letztlich damit gut gefahren. Dies ist hier aber nicht unser Thema.

Entscheidend ist, dass mit der fragwürdigen Entscheidung, die beiden Staaten in ihrer entwicklungshemmenden
Kleinheit und Rückschrittlichkeit fortbestehen zulassen, Hohenzollern
sich sein spezifisches Vormärz-Drama eingehandelt hat. Die Fürsten, die das Überleben
ihrer Staaten bei Napoleon um eines kurzfristigen Erfolgs (und der persönlichen Bereicherung
) willen herausantichambriert hatten, verurteilten im Grunde ihre Nachfolger zur beschriebenen
Resignation, weil sich in solchen Staaten keine eigentliche Politik mehr machen
Hess, und verdammten ihre Untertanen in eines der Armenhäuser Deutschlands, obwohl insbesondere
Hozenzollern-Sigmaringen einen erklecklichen territorialen Ausgleich erhalten
hatte, der allerdings nur dem fürstlichen Haus, nicht dem Land zugute kam. In Hohenzol-
lern-Hechingen waren in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts der fürstliche wie auch der
Staats-, die Gemeinde- und die privaten Haushalte hoffnungslos zerrüttet. Mehrere Gemeinden
standen vor dem Konkurs, viele Einwohner wanderten aus, viele waren hingegen so arm,

7 Kallenberg: Hohenzollern (wie Anm. 4), S. 154.

8 Ebd. S. 153.

9 Zu dieser Entscheidung, die auf massiven diplomatischen Einfluss der hohenzollerischen Fürstentümer
in Paris zurückging, vgl. ebd., S. 114-121.

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