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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1999/0114
Casimir Bumiller

rung und Überhöhung des Vaters (das sind im übertragenen Sinn die »Monarchisten«)16. Solche
Menschen neigen zur überzeichneten Identifikation mit Vaterfiguren.

Eine solche ungesunde Identifikation mit dem König- und Kaisertum ist der Kern des im
Lauf des 19. Jahrhunderts entstandenen Preussentums. Kehrseite der Medaille ist die bedingungslose
Hingabe an den Staat und an den Kaiser unter Verzicht auf jegliche Form von Widerspruch
, Protest und Rebellion, d.h. unter Verzicht auf autonomes Denken17. Diese Form
der Untertanenmentalität ist nicht mehr identisch mit der Untertänigkeit, wie sie zwischen
dem 16. und 18. Jahrhundert bestand18. Da gab es zwar eine durch Eid besiegelte Treue an
den Fürsten. Dies schloss jedoch, wie gerade am Beispiel Hohenzollern zu beweisen war, berechtigten
Widerstand und bewaffnetes Aufbegehren gegen den Monarchen nicht aus. Doch
im Verlauf des 18. und 19. Jahrhunderts ist die Hemmschwelle zur Gegenwehr gegen Vaterfiguren
durch Erziehungs- und Zivilisationsprozessse, die im einzelnen psychohistorisch noch
nicht hinreichend beschrieben worden sind, heraufgesetzt und die Verinnerlichung von Gehorsam
zugleich gefördert worden.19. Eine günstige Grundlage für die Bereitschaft, sich bedingungslos
einer Autorität zu unterwerfen, bildet aber immer ein Schuldgefühl. Das kollektive
Schuldgefühl der Hohenzollern und damit ihr spezifischer Beitrag zum Preussentum
rührt aber meines Erachtens aus ihrer zugleich gescheiterten wie »geschenkten« Revolution
von 1848.

16 Marga Kreckel spricht in ihrem Buch Macht der Väter - Krankheit der Söhne. Frankfun 1997,
S. 105-128 und 174-198 vom Typus des Verworfenen und des Unterworfenen.

17 Theodor W. Adorno: Der autoritäre Charakter. 2 Bde. Amsterdam 1968; Volker E. Pilgrim:
Vatersöhne. Hamburg 1993. - Als Randnotiz sei den Apologeten Preussens, die darauf bestehen, dass
man das Preussentum nicht ohne weiteres in die Ahnenreihe des Nationalsozialismus stellen könne, entgegen
gehalten, dass ohne den im Wilhelminismus herangezüchteten Kadavergehorsam uns die zwölf erbärmlichsten
Jahre unserer Geschichte ziemlich sicher erspart geblieben wären.

18 Peter Buckle: Deutsche Untertanen - Ein Widerspruch. München 1981.

19 Wie dieser Prozess auf der individuellen und lokalen Ebene ausgesehen haben könnte, hat an einem
hohenzollerischen Einzelfall Olivia Hochstrasser: Ein Haus und seine Menschen. Tübingen 1993,
S. 166-184 nachvollzogen.

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