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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1999/0123
Der Kreuzweg von St. Luzen in Hechingen. Ein Bilderzyklus des 18. Jahrhundens

7. Die Beweinung und Grablegung.

Wie bei der Kreuztragung wurde hier auf einen älteren Bildtyp im Bereich des Andachtsbildes
zurückgegriffen, nämlich auf das Vesperbild, italienisch »pietä«.

Auffallend an den genannten Szenen dürfte sein, daß die Mehrzahl davon nicht Illustrationen
von Stellen in den Evangelistenberichten, sondern nur daraus gefolgert und abgeleitet worden
sind oder auf anderen, legendären Aufzeichnungen beruhen7.

Die mancherorts sehr bilderfeindliche Reformation bildete eine Zäsur in der Entwicklungsgeschichte
der Kreuzwegzyklen. Anlagen des 16. Jahrhunderts sind deshalb kaum bekannt
. Die reformatorische Kritik an der Leistungs- und Werkefrömmigkeit des späten Mittelalters
hatten ihre Wirkung auf die Kreuzwegandacht und den Kreuzweg als Werk der bildenden
Kunst.

Zur Zeit der Gegenreformation gewann die franziskanische Arbeit bezüglich der Kreuzwegandacht
eine neue Qualität. Ihre in vorreformatorischer Zeit bestehende Popularität
wurde nun vollends systematisch zur »Volkstümlichkeit« hin verändert. Das Zusammenwirken
von Publikationen der schon bekannten Art, missionarischer Tätigkeit, von Passionsspielen
und natürlich bildlichen Darstellungen schuf bei den Gläubigen die rezeptiven Voraussetzungen
. Grundlegend für die Franziskaner war das Buch des Holländers Christian van
Adrichem mit dem Titel »Theatrum Terrae Sanctae et biblicarum et historiarum cum tabulis
geographicis aere expressis«, das 1590 erschien; sein Werk enthält nützliche Hinweise, wie
die szenischen und dramaturgischen Möglichkeiten für den Kreuzweg und die Andacht erweitert
werden konnten8. Ein Vorgänger des heutigen St. Luzener Kreuzwegs, über den später
noch zu handeln sein wird, hatte wohl seinen Ursprung im Geist der vom Aufwind der
Gegenreformation getragenen erneuerten Frömmigkeit, die auf ältere franziskanische Traditionen
zurückgreifen konnte. Eberhard Gönner hat auf die Funktion des Hechinger Klosters
zur Zeit der Gegenreformation hingewiesen als einem Vorposten gegen den protestantischen
Einfluß des benachbarten Herzogtums Württemberg9.

Den entscheidenden Vorstoß, den Kreuzweg mit vergrößerter Anzahl der Stationen szenisch
und dramaturgisch festzulegen, unternahm der italienische Franziskaner Leonhard von
Porto Maurizio; er erreichte 1731, daß die vierzehn von ihm festgelegten Stationen von Rom
für verbindlich erklärt wurden. Dabei war wesentlich gewesen, den Stoff der Evangelien
mehr zu berücksichtigen.

Die große Zeit der Kreuzwege waren das 17. und 18. Jahrhundert. Die Volksmission der
Franziskaner führte zu einer großen Zahl von Kreuzwegen in den katholisch gebliebenen
Gebieten und zu einer nicht zu überschätzenden Popularität der Andacht und der Bilder10.
Der »Volkston« spielte dabei, wie beim Passionsspiel, eine gewichtige Rolle in der franziskanischen
Missionsstrategie11. Der heutige St. Luzener Kreuzweg gehört in diesen Zusammenhang
. Aus elitärer kunstwissenschaftlicher Sicht hat diese Art von Popularität der bildenden
Kunst der Gegenreformation den einstigen Führungsanspruch in der Kunst im allgemeinen
gekostet12. Für sie scheint gerade bei Bildwerken in Kreuzwegen die Grenze zur »Volkskunst
« erreicht worden zu sein13.

7 S. Anm. 3.

8 Georg Wagner: Barockzeitlicher Passionskultus in Westfalen. Münster 1967. S. 216-217,231-232.

9 Eberhard Gönner: Die Geschichte des Klosters (St. Luzen). In: Hans Jörg Mauser, Rudolf
Schatz (Hg.). St. Luzen in Hechingen. Stuttgart 1991. S. 14-15.

10 S. Anm. 8.

11 Gustav Schnürer: Katholische Kirche und Kultur in der Barockzeit. Paderborn 1937. S. 723-724.

12 Vgl. Wilhelm Pinder: Die deutsche Plastik vom ausgehenden Mittelalter bis zum Ende der Renaissance
. 2. Teil. Handbuch der Kunstwissenschaften. Bd. 19.2. Wildpark-Potsdam 1929. S. 483.

13 Ernst Kramer: Kreuzweg und Kalvarienberg. Studien zur deutschen Kunstgeschichte. Bd. 313.
Kehl 1957. S. 88-89.

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