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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1999/0153
Pierre Michel d'Ixnard - ein Architekt zwischen Rokoko und Klassizismus

misch-dogmatischen Idealen und die Hinwendung zu einer rezeptionsästhetisch orientierten
Architektur gehen einher mit einer großen öffentlichen Anteilnahme und der Entstehung
von Moden. Diese Faktoren erlauben einem Handwerker ohne akademische Ausbildung den
Aufstieg zum Architekten, indem er eine flexible Mischung aus antikem Dekor und pragmatischer
Architektur bietet. Daß d'Ixnard dies hauptsächlich in Deutschland verwirklichen
kann, zeigt einerseits die Ausbreitung dieses Wandels, andererseits die unfreiwillig extreme
Position des Architekten, dem ein allzu plakativ-antikes Dekor mit einer allzu anpassungsfähigen
Architektur in Paris Schwierigkeiten bereitet hätte, wo Konkurrenz und Kritik den
Raum architektonischer Betätigung dicht besetzten.

Pierre Michel d'Ixnards Ausbildung, die ein wenig im dunkeln liegt, aber sicher nicht akademisch
geprägt war und seine Persönlichkeit, die von großem Selbstvertrauen und pragmatischer
Anpassungsfähigkeit bestimmt wurde, sind zwei für seine Bauten prägende Faktoren.
In der von Paris aus gesehen provinziellen Abgelegenheit Südwestdeutschlands schöpft
d'Ixnard Möglichkeiten aus, die in der Metropole durch ein gewandeltes Geschmacksempfinden
und eine rezeptionsorientierte Ästhetik geschaffen worden waren. Der Architekt und
der genius loci gehen eine Symbiose ein, bei der ersterer davon profitiert von tradierten oder
akademischen Fesseln nicht eingeengt zu werden. Bei seinen Dekorationen stützt er sich auf
die Vorlagen aus bekannten Stichwerken. Dadurch, daß er daraus entnommene Dekorationselemente
isoliert, in einem anderen Kontext anbringt und zum Teil durch größere Plastizität
betont, versucht er, den vermeintlichen Forderungen seiner Bauherren nach »antikem«
Dekor gerecht zu werden. Damit treten in d'Ixnards Werk Facetten des französischen Klassizismus
nuancierter zutage als in der Hauptstadt selbst, doch sie haben hier wie dort die gleiche
Tendenz: weg vom vitruvschen decorum hin zum Dekorativen32.

Doch nicht nur bei der Dekoration, sondern auch im rein Architektonischen kann man
den Architekten auf der Höhe der Zeit sehen: mit der Klosterkirche in St. Blasien gelang es
d'Ixnard im Verein mit einem weitblickenden Abt eine Kirche zu realisieren, die verschiedene
Bauwerke aus verschiedenen Zeiten - sie wurden oben schon genannt - zu einem neuen
Ganzen kombiniert. Damit geht er wie seine Kollegen vor, die die Architektur der griechischen
und römischen Antike, des frühen Christentums, der Renaissance und der französischen
Klassik als Ideensteinbruch verwenden. Da St. Blasien aufgrund der historischen Zäsur
der Säkularisation einen Endpunkt des Klosterkirchenbaus darstellt, ist es zwar nur spekulativ
, die Schwarzwälder Kirche als Prototyp einer neuen Richtung von Ordensbauten zu bezeichnen
, doch wenn man an die Pantheonallusionen des 19. Jahrhunderts denkt, sieht man,
wie stark die Faszination dieses Bautyps weitergewirkt hat33.

D'Ixnard war also in eine allgemeine Entwicklung eingebettet, die weit über einen Stilwandel
in der Architektur hinausgeht, und gerade weil er scheinbar eine Ausnahme darstellt,
kann er als Indikator für bestimmte Tendenzen dieser Entwicklung besonders dienlich sein.

32 Eine genaue Untersuchung der Entstehung und Anwendung der neuen Dekoration, vor allem in den
Stichwerken, könnte hier weiterführen.

33 Neben den zahlreichen Gebäuden in Italien (Siehe Carroll Meeks: Pantheon Paradigm. In: Journal
of the Society of Architectural Historians. Bd. XIX. Nr. 4. Dec. 1960, S. 135-144), denke ich in Deutschland
an die Kirchen von Georg Moller (St. Ludwig, 1822 in Darmstadt) und Friedrich Weinbrenner
(St. Stephan, 1809 in Karlsuhe).

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