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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1999/0184
Johannes Werner

Ein holländischer Maler namens Jan Verka.de, ein Schüler von Gauguin, gehörte wiederum
zu denen, die den Ruf der Kunstschule vernahmen. Er folgte ihm im November 1893, indem
er eine Reise von Italien nach der nordischen Heimat in Beuron unterbrach - das ihn jedoch
so beeindruckte, daß er es zu seiner neuen Heimat machte. Und was ihn, der bis dahin
nur italienische Franziskaner gekannt hatte, geradezu überwältigte, waren die feierlichen
Formen, in die diese deutschen Benediktiner ihr ganzes Leben gössen; die täglichen Mahlzeiten
nicht ausgenommen. »Die Patres saßen mit über den Kopf gezogenen Kapuzen an
Eichentischen die Wände entlang, die Laienbrüder in der Mitte des Refektoriums. Ich selbst
saß am obern Ende des Speisesaales nahe dem Privattisch des Abtes, dem Prior und den ältesten
Patres gegenüber. Nachdem der Tischleser einen Satz aus der Regel vorgelesen hatte,
gab der Prior ein Zeichen mit einem Holzhämmerchen. Die Patres klappten ihre Kapuzen
herunter, legten die Servietten um und aßen ihre Suppe. Die Mahlzeit verlief fast so stilvoll
wie der Gottesdienst in der Kirche. Die schweigenden Mönche aßen mit Würde und Anstand
. Jedes unnötige Geräusch wurde vermieden«5. Das war aber nur das Vorspiel zum heiligen
Spiel der Liturgie, wie sie am Fest des hl. Martin, des Kloster- und Kongregations-
patrons, gefeiert wurde; Verkade beschrieb sie in allen ihren Einzelheiten, besonders den liturgischen
und musikalischen, seitenlang6. Er blieb in Beuron und trat als Maler, dann aber
auch als Autor hervor7.

Noch in Italien war Verkade mit Johannes Jörgensen, einem dänischen Schriftsteller, zusammengetroffen
, der ihn dann schon 1894 in Beuron besuchte. Auch ihm machten die eine
Mahlzeit, die er miterlebte, die samstägliche Komplet und das sonntägliche Amt einen tiefen
Eindruck8. Er ging sogar so tief, daß Jörgensen ihn nicht ertragen konnte und, nach nicht einmal
einem Tag, aus dem Kloster flüchtete; doch kam er 1896 wieder und blieb zwei Wochen
lang, um die Kar- und Osterliturgie zu feiern, die er, spürbar begeistert, auch äußerst ausführlich
beschrieb9. Beuron war wie eine andere Welt. »Ich öffne ein wenig das Fenster und sehe
hinaus. Alles ist schwarz und still. Uber den fernen Bergkämmen steht ein großer, einsamer
Stern. Und im ganzen Kloster ist es gerade so ruhig wie draußen. - Ich spüre aufs neue diese
wundervolle Stille, die sich nur in Mauern wie diesen hier finden läßt. Und mit einem tiefen
Gefühl meiner eigenen Unwürdigkeit, an diesem Frieden teilzuhaben, schlafe ich ein«10.

Beuron 1863-1963. Festschrift zum hundertjährigen Bestehen der Erzabtei St. Martin. Beuron 1963,
S. 358-394; Johannes Werner: Der große Traum. Zur Entstehung der Beuroner Kunstschule. In: Erbe
und Auftrag 6/1979, S. 414-419; Harald Siebenmorgen: Die Anfänge der >Beuroner Kunstschule«. Peter
Lenz und Jakob Wüger. 1850-1875. Ein Beitrag zur Genese der Formabstraktion in der Moderne.
Sigmaringen 1983; Hubert Krins: Die Kunst der Beuroner Schule. »Wie ein Lichtblick vom Himmel«.
Beuron 1998.

5 Willibrord Verkade: Die Unruhe zu Gott. Erinnerungen eines Malermönchs. Beuron o.J., S. 206 f.

6 Ebd. S. 217-225.

7 Vgl. Johann Mertel: Niederdeutsche Malerkonvertiten. P. Willibrord Verkade OSB, P. Benedikt
Momme Nissen OP. In: Benediktinische Monatsschrift 22 (1946), S. 151-154; Daniel Feuling: Gereiftes
Leben. Erinnerungen an P. Willibrord Verkade. Ebd. S. 173-179; Damasus Zähringer: Besinnung
und Ausschau. Ebd. S. 226-238, bes. S. 237 f.; Caroline Boyle-Turner: Jan Verkade. Ein holländischer
Schüler Gauguins (Ausstellungskatalog). Zwolle/Amsterdam/Quimper/Albstadt 1989; und natürlich
auch den zweiten Band der Autobiographie: Der Antrieb ins Vollkommene. Erinnerungen eines Malermönches
. Freiburg 1932. - An dieser Stelle wäre auch ein Werk zu nennen, dessen Autor 1871 nicht erst
als Besucher, sondern schon als Postulant an die Klosterpforte klopfte: Odilo Wolff: Beuron. Bilder
und Erinnerungen aus dem Mönchsleben der Jetztzeit. 4. Aufl. Stuttgart 1903 (bes. S. 9-16).

8 Johannes Jörgensen: Das Reisebuch. Licht und Dunkel in Natur und Geist. 2. Aufl. Mainz 1910,
S. 71-107.

9 Ders.: Beuron. Hamm o.J., S. 85-94; vgl. auch S. 72-84.

10 Ebd. S. 41.

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