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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1999/0185
Besuch in Beuron. Ein Literaturbericht

Es war ebenfalls die feierliche Liturgie, die, in den letzten Jahren des alten Jahrhunderts,
den jungen Augustin Bea oft nach Beuron zog". Auch wenn er dann - weil er glaubte, nicht
gut genug singen zu können - nicht Beuroner Benediktiner, sondern Jesuit wurde und als
solcher und als Kardinal ins innerste Zentrum der Kirchengeschichte geriet, hat er sich die
Liebe zu dieser Liturgie zeitlebens bewahrt. So konnte er, schon vor dem 2. Vatikanischen
Konzil, bei ihrer Reform eine entscheidende Rolle spielen.

Jedenfalls ging die Einsicht in sein vielleicht nur vermeintliches Unvermögen auf den tiefen
Eindruck zurück, den der Choralgesang auf die Besucher machte; ihn pflegten die Beuroner
Benediktiner von Anfang an nach dem strengen Vorbild derer von Solesmes. Daß im
Choral »die Welt der heiligen Geheimnisse«12 erklingt, hat der Theologe Romano Guardini
zum ersten Mal vernommen, als er in den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts nach Beuron
kam. (Auch Jörgensen13 und Verkade14 hatten dergleichen verspürt, und als Lenz erstmals
nach Beuron kam, wurde er »angelockt durch den gregorianischen Choral«15, in dem er eine
Bestätigung seiner künstlerischen Bestrebungen sah.)

Nur zufällig, nämlich auf den Spuren der Geliebten verschlug es den jungen Joseph Goebbels
1918 als Student von Freiburg nach Beuron. »Nach dem Abendbrot sitzen wir an der
Kirche in einem stillen Winkel. Wie von ferne hören wir Gebet und Singen. Die Mönche halten
ihre Abendandacht. Und dann wird es still, wunderbar still!«16 Und am nächsten Tag ging
Goebbels, wie er in seinem mißlungenen Roman erzählte, »mit dem geleitenden Pater durch
die langen, weißen Gänge. An den Wänden zarte, feine Klostermalerei, Beuroner Kunst.
Köstliche Linie, etwas stumpf in den Farben. Eine seltsame Liebhaberei!«17 Sie blieb ihm
fremd, auch wenn ihm die Geliebte zum Abschied »ein kleines Bild aus der Beuroner Schule,
ein Ecce-Homo«18 schenkte; »schöne weiche Linie, klar und einfach. Es ist für mich wie ein
Talisman«19. Daß der junge Goebbels einst ein frommes Bild aus der Beuroner Kunstschule
bei sich trug, geht allerdings über alle Begriffe.

Wenn auch die Beuroner Kunst allmählich verging, so verging doch nicht das Verlangen
nach Gebunden- und Geborgenheit, dem sie ihre Entstehung verdankte. Noch in den letzten
Jahren seines langen Lebens sehnte sich der Maler Hans Thoma hinüber ins »Kloster
Beuron, wo ich meine Kunst üben könnte, weitab vom Tageslärm - das denke ich mir gar
schön«20.

Um Desiderius Lenz, den überlebenden Altmeister der Beuroner Künstler, noch einmal
zu sehen, kam der Dichter Konrad Weiß im Jahre 1925 nach Beuron, dessen Eigenart er empfand
und beschrieb. »Beuron (...) liegt in einem tiefen und stillen Talkessel, ganz umgeben
von tafelartig gegen den Himmel abgeschnittenen Höhenzügen, aus deren steilen Wänden
mächtige Einzelfelsen wie große Basteien und Trümmer alter Burgen heraustreten. Der Wald,
der überall herumgeht, ist mit den blinden Farben der Buchenstämme im Vorfrühling oft wie

11 Vgl. Stjepan Schmidt: Augustin Bea. Der Kardinal der Einheit. Graz/Wien/Köln 1989, S. 38 f.

12 Romano Guardini: In Spiegel und Gleichnis. Bilder und Gedanken. Mainz 1932, S. 256.

13 Vgl. Jörgensen: (wie Anm. 9), S. 87.

14 Vgl. Verkade: (wie Anm. 5), S. 205 f.

15 Zit.n. ebd. S. 211. - Vgl. insges.: Corbinian Gindele: Beurons Choralgesang. In: Beuron 1863-1963,
S. 308-336. Noch in einem neueren Werk wurden die »Benediktiner von Beuron« als diejenigen bezeichnet
, »deren gregorianischer Gesang unerreicht ist« (Geoffrey Moorhouse: Bastionen Gottes. Orden
und Klöster in dieser Zeit. Hamburg 1969, S. 162).

16 Joseph Goebbels: Michael. Ein deutsches Schicksal in Tagebuchblättern. 17. Aufl. München 1942,
S.27.

17 Ebd. S. 28.

18 Ebd. S. 29.

19 Ebd.

20 Hans Thoma: Im Winter des Lebens. Aus acht Jahrzehnten gesammelte Erinnerungen. Jena 1925,
S.25.

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