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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1999/0186
Johannes Werner

ein feiner Rauch, oder er gibt, umgekleidet um die Steinfarben, die ihn durchsetzen, ein leises
Gefühl unfaßbaren Lebens. Der blätterlose Laubwald hat etwas Erschüttertes; einzelne
starkgrüne Tannenwipfel heben sich dazwischen auf, die wie im Kreise eines eigenen Bereiches
stehen und den vergehenden Wechsel der Natur nicht teilen. Im Grunde ankert, nur wenig
dominierend hinter wenigen Häusern und den großen Scheiben eines stillgeräumigen
Gasthofs, die Horizontale der Klosteranlage mit ihrer Kirche«21.

Diese Beschreibung stimmt in den meisten Zügen mit einer anderen überein, die in einem
(1928 erstmals erschienenen) Roman von Annette Kolb enthalten ist. »Zur Schale lag das kleine
Tal gerundet. Keine Lücke unterbrach den Waldesring, mit welchem hoch über dem Meeresspiegel
die Berge es umschlossen. (...) Alles war dicht bei: die Abtei, der malerische Pfad,
der sich zur Kirche wand; höchst stimmungsvoll die langen immergrünen Bäume am Eingang
. Aber noch beschien die Sonne die westlichen Hänge. Wie schnell waren auch sie erreicht
! Dort rann die Donau, jung, grün, von zauberischer Unschuld, auf die zusammengeschobenen
Pforten des Gebirges zu. Würden sie ihr Raum gewähren und auch der Straße, die
Daphne neugierig verfolgte? Ein Himmel, blau, wie Perugino ihn malte, intensiver nur,
schweifte hier nicht, nein, wie eine Zimbel schlug sein Blau gegen die schwarzen Wälder auf,
daß es noch tiefer erblaute, sie noch schwärzer sich tönten«22. - Wieder ist es die Liturgie,
und wieder die der Karwoche, die die Besucherin in ihren Bann schlägt. »Daphne fragte sich,
ob sie je so etwas Schönes gesehen hatte«23. (Was ihr aber entschieden mißfällt, ist die Beuro-
ner Kunst, die sie als »frommen Ramsch«24 abtut.)

Nicht nur Literaten, auch Philosophen kamen nach Beuron; ja auch Martin Heidegger,
der einmal Priester und sogar Jesuit hatte werden wollen, sich von der Kirche dann aber ganz
löste. Dennoch kam er, noch danach, gern nach Beuron; in einem Brief von 1929 etwa
schwärmte er von der Komplet, denn sie erinnerte ihn an »die mythische u. metaphysische
Urgewalt der Nacht, die wir beständig durchbrechen müssen, um wahrhaft zu existieren«25.
Und 1931 schrieb er: »Seit Freitag bin ich hier in meiner alten Zelle u. schon wieder eingewöhnt
in das geschlossene u. gehaltene Leben der Mönche - am liebsten hätte ich auch noch
gleich das Mönchsgewand, weil ich es jedesmal als stilwidrig empfinde, wenn ich in >Zivil<
durch die Klostergänge gehe«26.

Heidegger hätte in jenen Jahren, eben in Beuron, eine Philosophin treffen können, die er
kannte, die als Assistentin von Edmund Husserl sogar seine unmittelbare Vorgängerin gewesen
war: Edith Stein. Ihr erschien das Kloster, so oft sie (zwischen 1928 und 1933) kam, als
»Vorhof des Himmels«27, ja als »Himmel auf Erden«28, und selber kam sie sich »in meinem
lieben Beuron fast wie ein richtiger Mönch«29 vor. Daß sie dann zwar nicht als Benediktinerin
, aber als Karmelitin in ein Kloster eintrat, war nur folgerichtig. Und noch mit ihrem
neuen Namen, als Schwester Theresia Benedicta, erinnerte sie zugleich an die Gründerin des
Ordens, dem sie nunmehr angehörte, und an den Gründer des ältesten abendländischen Ordens
, dem sie in Beuron begegnet war.

21 Konrad Weiss: Ein Besuch im Kloster Beuron. In: Die christliche Kunst 22 (1925/26), S. 160-176;
hier S. 160.

22 Annette Kolb: Daphne Herbst. Roman. Berlin 1928, S. 268 f.; vgl. insges. S. 268-283.

23 Ebd. S. 276.

24 Ebd. S. 282.

25 Zit.n.: Joachim W. Storck (Hrsg.): Martin Heidegger/Elisabeth Blochmann. Briefwechsel 1918-
1969 (= Mar-bacher Schriften 33). Marbach a.N. 1989, S. 32.

26 Ebd. S. 43; vgl. auch S. 39 f.

27 Edith Stein: Wie ich in den Kölner Karmel kam. Würzburg 1994, S. 28.

28 Dies.: Briefe an Roman Ingarden 1917-1938 (= Werke Bd. 14). Freiburg/Basel/Wien 1991, S. 195.

29 Ebd. S.217. - Vgl. insges.: Katharina Oost: »Ein glücklicher Mönch«. Edith Stein in Beuron. In:
Erbe und Auftrag 4/1998, S. 274-284.

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