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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1999/0217
Besprechungen

Peter Eitel (Hg.): Ravensburg im Dritten Reich. Beiträge zur Geschichte der Stadt. Ravensburg
: Oberschwäbische Verlagsanstalt 1998 (2. Auflage). 483 S.

Es spricht für den Erfolg des Bandes, daß binnen zwei Jahren bereits eine zweite Auflage
dieses Werkes in unveränderter Form erschienen ist. In 24 Beiträgen werden unterschiedliche
Facetten der Geschichte Ravensburgs in der NS-Zeit aufgearbeitet, ein anerkennenswertes
Unternehmen um so mehr, als personelle und mentale Kontinuitäten in Ravensburg
wie an anderen Orten auch über das Kriegsende fortwirkten und auf eine Aufarbeitung
der NS-Geschichte eher retardierend gewirkt haben werden. Entstanden ist das Werk
durch die Initiative einer Gruppe von Historiker(innen) und historisch interessierten
Laien, die sich 1993 erstmals zusammenfanden, die NS-Geschichte der Stadt aufzuarbeiten
. Dies war um so sinnvoller, als sich bis dahin nur eine einzige wissenschaftliche Darstellung
mit diesem Thema auseinandergesetzt hatte. Der Herausgeber weist auf die
durchaus vorhandenen Schwierigkeiten hin, die eine Auseinandersetzung mit dem Thema
in Ravensburg mit sich brachte - um so höher ist das Ergebnis zu bewerten. Eine ganze
Reihe wesentlicher Facetten der NS-Zeit konnte durch die Autoren abgehandelt werden.

Der Bogen reicht dabei von Grundlinien politischer Entwicklung von der Weimarer
Republik bis in das »Dritte Reich«, Presse, Vereinswesen, Kultur, über Bildungsaspekte,
Rassismus bis hin zu Alltagsaspekten und Entnazifizierung. Sämtliche Beiträge wurden
durch Archivstudien oder/und »Oral History« erarbeitet, sind materialreich, gleichwohl
lesbar und kompetent. Insgesamt wird deutlich, unter welchen Voraussetzungen bzw.
Umständen auch eine dominierende, katholisch geprägte Stadt des Oberlandes sich letztlich
, wenn auch mit gewissen Widerständen, durch den Nationalsozialismus vereinnahmen
ließ. Diese Vereinnahmung, die sich personell vor allem in den Persönlichkeiten von
Kreisleiter und Bürgermeister ausdrückte, aber sämtliche Lebensbereiche der Stadt durchdrang
, wirkte sich auf den unterschiedlichsten Ebenen aus.

Wie sich solche Entwicklungen in Ravensburgs umsetzten, wird eindrucksvoll deutlich
. Die einzelnen Beiträge zeigen durchweg ein auf großem Engagement beruhendes Interesse
, das aber in ihren Ergebnissen immer auch quellenkritisch fundiert und nachvollziehbar
bleibt. Auf der einen Seite erging es Ravensburg wie allen anderen Kommunen
auch: Indoktrination, Gleichschaltung, vollständige Vereinnahmung des Lebens im Sinne
der NS-Ideologie funktionierten mittelfristig. Damit zusammenhängend kam es auch hier
zu einer Eintrittswelle in die NSDAP, zu Denunziation, Enteignung, Marginalisierung
und rigorosem Vorgehen gegen Bevölkerungsgruppen wie Juden oder Sinti. Auf der anderen
Seite ist gerade in Ravensburg vor allem durch die starke konfessionelle Prägung immer
auch eine gewisse Distanz zu kirchenfeindlichen Maßnahmen der Machthaber evident
, in einzelnen Krisen auch ein recht deutlich ausgeprägtes Verhalten von »Resistenz«.
Insbesondere gegen die NS-Schulpolitik mit ihrer Stoßrichtung gegen konfessionelle
Schulen gab es eine breitere Mißstimmung. Letztendlich setzte sich das Regime durch,
auch wenn es in Ravensburg in einzelnen Bereichen vielleicht etwas länger dauerte als in
anderen Regionen. Die in Ravensburg während des »Dritten Reiches« Verantwortlichen,
seien es nun die Spitzen der örtlichen Hierarchie oder ihre ausführenden Organe, kamen
nach dem Krieg relativ ungeschoren davon. Die Ineffizenz der sog. Entnazifizierung
macht betroffen, weist sie doch erneut darauf hin, wie sich einschlägig hervorgetretene
Personen juristisch geschickt in einer Zeit, die auch politisch immer mehr bewußt einen
Schlußstrich zur Vergangenheit ziehen wollte, als minder belastet einstufen konnten. In
vielen Fällen war nach einer Unterbrechung von nur einigen Monaten eine unbeeinträchtigte
weitere Existenz möglich.

Die Publikation ist ein Musterbeispiel dafür, wie auf der Grundlage eines Arbeitskreises
örtlich Interessierter auch ein immer noch hoch sensibles Thema wie die NS-Zeit in einer
erfreulichen Bandbreite aufgearbeitet werden kann. Die Ergebnisse zeigen darüber

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