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Schwarz - Weiß

liehe, denn als modern psychologische Kategorie einzuschätzen40. Er verehrte
merkwürdigerweise nach dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms IV., den man
emphatisch als neuen Landesvater begrüßte, noch weitere Väter in den abgetretenen
Fürsten, vor denen die früheren zollerischen Untertanen in Ergebenheits- und
Gratulationsschreiben weiterbuckelten41, meist mit einem nostalgischen Unterton
entschwundenen Glücks42. Dieser spezifisch zollerische Patriarchalismus stand allen
modernen politischen und sozialen Emanzipationsbewegungen, welche sich
von westeuropäischen Traditionen, insbesondere von der Französischen Revolution
herleiteten, ablehnend gegenüber. Er blieb eingebunden in eine geradezu mittelalterliche
Ständelehre, die im König ganz im Sinne des Gottesgnadentums43 wei-

40 Dem anregenden Versuch Casimir Bumillers, die zollerische Geschichte als eine Kette zerrütteter
Vater-Kind-Beziehungen zu deuten, liegt m. E. ein zu moderner, ausschließlich psychologisch
gefüllter Patriarchalismusbegriff zugrunde. Vgl. hierzu: Casimir Bumiller: Die
48er Revolution in Hohenzollern mentalitätsgeschichtlich betrachtet. In: Zeitschrift für Ho-
henzollerische Geschichte 35 (1999) S. 99. Die patriarchalistischen Beschwörungen, die sich
im Kontext der Erbhuldigung häufen, spiegeln m.E. noch jenen älteren Patriarchalismus, der
die weltlichen Obrigkeiten unter den Vatertitel des 4. Dekaloggebotes gefaßt und sie damit in
den Rang theologisch und politisch legitimierter Väter ihrer Landeskinder erhoben hatte. Ein
solche Auffassung, die man in England und Frankreich längst aus der politischen Diskussion
verabschiedet hatte, war theoretisch eigentlich auch in Deutschland anachronistisch geworden
, wie man in Rotteck/Welckers Staatslexikon aus dem Jahre 1843 nachlesen kann: Der Regent
eines Staates ist nicht der Vater oder Stammvater der Nation oder des ihm untergebenen
Volkes. Er ist mit rein juristischen Rechten angethan, als Organ des Gesammtwillens, welchem
die durch den bürgerlichen Vertrag Vereinigten sich - in der Sphäre des Staatszwecks -positiv
unterworfen haben. Eine Regierung oder ein Regent, der da väterliche Rechte über das Volk
behaupten, d.h. mit der Gewalt des Vaters oder auch mit jener des Dienstherrn dasselbe beherrschen
wollte, wäre ein Despot, und ihm gegenüber wäre das Volk wie rechtlos. Das Volk,
d.h. die Bürger, sind nicht unmündig, wie die der väterlichen Gewalt unterstehenden Kinder,
und auch nicht Dienstboten des Regenten. Der Ausdruck „Landesvater" kann daher nur im figürlichen
Sinne und nur mit der Bedeutung von dem Regenten vernünftig gebraucht werden,
daß er die an ihn gerichtete Forderung ausdrückt, das Volk zu lieben, wie etwa der wirkliche
Vater seine - großjährigen - Kinder liebt, nicht aber, daß er dasselbe als sein Eigenthum zu
betrachten habe, wofür der Vater seine - zumal unmündigen - Kinder mit Recht betrachtet.
(zitiert bei Paul Münch, Die .Obrigkeit im Vaterstand', wie Anm. 39, S. 39). Daß die Ideologen
der Restaurationsepoche weiterhin erfolgreich an das Vater/Kind-Verhältnis des älteren
Patriarchalismus appellieren konnten, spiegelt die spezifische Verspätung der deutschen politischen
Kultur, es hängt aber auch mit der nun einsetzenden, spezifisch bürgerlichen Senti-
mentalisierung des Familienbegriffs zusammen.

41 Vgl. etwa Verordnungs= und Anzeigeblatt der Königlich Preußischen Regierung zu
Hechingen v. 3.9.1851, S. 394; Casimir Bumiller wäre nach der psychologischen Einordnung
dieser doppelten Vaterbindung zu fragen.

42 Vgl. oben Anm. 17, insbesondere das Gedicht von Hermann Pflumm. Eberhard Gönner
spricht davon, Preußen habe Hechingen aus den patriarchalischen, engen und veralteten Verhältnissen
der fürstlichen Zeit herausgeholt. Vgl. Hechingen in preußischer Zeit (wie Anm. 15),
S. 116. Davon kann angesichts dieser und der folgenden Zeugnisse kaum die Rede sein.

43 Zum Gottesgnadentum Friedrich Wilhelms IV. vgl. generell: Frank-Lothar Kroll: Monarchie
und Gottesgnadentum in Preußen 1840-1861. In: Der verkannte Monarch. Hrsg. von
Peter Krüger, Julius H. Schoeps (wie Anm. 37), S. 45-70; zum weiteren Kontext vgl.

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