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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2000/0036
Paul Münch

hauser stimmte dem bei, warnte vor Bürgerkrieg und bolschewistischen Zuständen,
versprach aber Unterstützung der sozialistischen Regierung. Wallishausers Stellung
zur Preußenfrage war zweideutig: Wohl habe man die peinliche Ordnung, die unbedingte
Zuverlässigkeit, die Großzügigkeit, die in diesem Staate herrschte, geschätzt,
doch nun sei das Vertrauen zu den dumpfen, schwelgenden Amtsstuben der Bürokratie
, aus denen so selten ein Ton des Verständnisses und der Fühlungnahme mit
den freien Regungen des Volkes zu vernehmen gewesen sei, verloren. Mit dem Aufhören
der Hohenzollernherrschaft in Preußen sei das ideale und geistige Band zwischen
Hohenzollern, den Stammlanden des Königs, und Preußen zerschnitten, das
mündig gewordene hohenzollerische Volk wolle die ihm aufgesetzte Macht, die ihm
vielfach fremd erschien, nicht mehr ertragen. Man müsse, so Wallishauser weiter,
Anschluß an süddeutsche Verhältnisse suchen. Allerdings werde sich wohl niemand
nach der Eingliederung des maroden Ländchens, dessen Uberleben von der preußischen
Regierung mit 25 Mark jährlichem Zuschuß pro Kopf garantiert werde, drängen
, noch weniger könne man hoffen, daß ein anderer Staat die unrentable, völlig
verschuldete Landesbahn übernehmen würde. Bevor man jedoch konkrete Entscheidungen
fällen könne, sei die Wahl eines nach dem allgemeinen, gleichen und
direkten, nach freiheitlichem Wahlrecht zusammengesetzten Landtages vonnöten.

Sein neu gewonnenes Selbstbewußtsein demonstrierte der Kommunallandtag,
indem er eines der heikelsten und brisantesten Themen, die Abschaffung des fürstlichen
Fideikommisses, auf die Tagesordnung nahm - wohl ein Zugeständnis an die
radikalen Kräfte im Lande. Man zog also nicht nur die Preußenfrage vors Volkstribunal
, sondern auch die Besitzfrage. Der Abgeordnete Paehler erinnerte daran, daß
die Abschaffung der Fideikommisse seit langem gefordert und auch in der preußischen
Verfassungsurkunde aus dem Jahre 1850 als berechtigt anerkannt worden sei,
doch habe man von ihrer Aufhebung in der Reaktionszeit der Fünfziger Jahre wieder
Abstand genommen. Die Art und Weise, in der sich der Sigmaringer Fürst seinerzeit
als Entschädigung für die Abtretung seiner Souveränitätsrechte einen großen
Teil der Domänen ohne Befragung des Volkes angeeignet habe, schlage allen
heutigen Rechtsprinzipien ins Gesicht. Da der Fürst eines Landes niemals mit den
Staat und Volk gehörigen Ländereien bezahlt werden könne, sei der Vertrag rückgängig
zu machen. Nach den von der Bevölkerung im Krieg erbrachten schwersten
Opfern habe keine Familie mehr den Anspruch, daß ihr der Staat ihren alten Glanz
gewährleiste und sichere. Fideikommisse müßten in möglichst weitem Umfang in
die öffentliche Hand übergeführt und von dieser in volkswirtschaftlich zweckmäßiger
Weise verwertet werden. Gerade das Fideikommiß des Fürsten von Sigmaringen
, seit langem dem Volke ein Stein des Anstoßes, sei zum Vorteil der Wirtschaft
des verschuldeten Landes aufzuheben. Der Kommunallandtag stimmte dem Antrag
zu, lehnte allerdings die von Bauern und Arbeitern geforderte gewaltsame Anei-
gung des fürstlichen Vermögens ab und übertrug die Lösung des Problems der
künftigen Nationalversammlung

Man ist nach den harmonisch stilisierten, patriarchalistischen und ständestaatlichen
Inszenierungen der Kaiserzeit über den raschen Umschwung der Stimmung,
der sich nach dem Ersten Weltkrieg zeigt, doch etwas verwundert. Antipreußische
Affekte und Meinungen, die wohl schon lange unterschwellig gebrodelt hatten,

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