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Paul Münch

nisse mit Hitlers Berufung zum Reichskanzler bereits grundlegend gewandelt hatten
. Ein Dialog erzählt von der evangelischen Pfarrersfrau, einer Offizierstochter,
die in Hechingen den gewohnten standesgemäßem Umgang schmerzlich vermisse.
Sie und ihre Kinder müßten wohl oder übel mit dem örtlichen Pöbel vorlieb nehmen
: Doa ischt höchscbte Zeit dass dritt Reich kont und de alta Genrais ound Wil-
helmszeita wieder ei'gführt weänd, noa ka die arm Frau wieder mit ihreasgleicha
verkehra. So isch halt bei Wilhelmszeita gseia da hout dr Mensch beim Offizier
a 'gfanga ound s 'ander send nau Pöbel gsei, dass des jetzt rom ischt kennat die Herr-
schafta it begreifam.

4. PREUSSEN ALS MASKE

Die Nazis bemühten sich von Anfang an, die latente Preußensehnsucht zu stillen.
Am 8.2.1933, also kurz nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler, richtete
Hermann Göring, seit dem 30.1.1933 kommissarischer preußischer Innenminister,
einen Aufruf an alle Beamten der preußischen inneren Verwaltung. Er forderte auch
die hohenzollerische Beamtenschaft auf, getreu den Idealen altpreußischen Beamtentums
Preußen wieder zum Hort der Sauberkeit, Sparsamkeit und hingebenden
Pflichterfüllung zu machen106, gerade so, als ob diese Tugenden im sozialdemokratischen
Preußen außer Kraft gesetzt gewesen wären. Obgleich der Nationalsozialismus
österreichischen und bayerischen Ursprungs war, spielten Hitler und seine
Parteigenossen die preußische Karte perfekt. Von Anfang an bemühten sich die Nazis
, ihre Politik, wie Görings Aufruf deutlich macht, auch als Wiederaufnahme bester
preußischer Traditionen erscheinen zu lassen. Sie sprachen damit viele an, die
mit den Verhältnissen unzufrieden waren und den politischen Wandel, wie er sich
nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland vollzogen hatte, als Verlustgeschichte
empfanden. Schon in seiner Schrift Mein Kampf aus dem Jahre 1925 war Hitler davon
überzeugt, daß sich aus der Geschichte Preußens, besonders aber Friedrichs des
Großen, politisches Kapital schlagen lasse: Solange zum Beispiel die geschichtliche
Erinnerung an Friedrich den Großen nicht gestorben ist, vermag Friedrich Eben
nur bedingtes Erstaunen hervorzurufen107. An Preußen faszinierte Hitler die Züchtung
eines besonderen Staatsgedankens und die Disziplinierung des deutschen Volkes
durch die allgemeine Wehrpflicht108, insbesondere aber, daß nicht materielle Eigenschaften
, sondern ideelle Tugenden allein zur Bildung eines Staates befähigen™'.
Der Historiker Karl Dietrich Bracher hat zurecht auf die von den Nationalsozia-

105 Der Rote Zoller v. 15.2.1933. Verglichen mit der preußenkritischen Haltung der Hechinger
KPD-Zeitung fällt es nicht leicht, die von Casimir Bumiller berichtete preußische Identität
seines kommunistischen Vaters mit Inhalt zu füllen. Was heißt es konkret, daß er ganz
preussisch fühlte} Vgl. Casimir Bumiller, Die 48er Revolution in Hohenzollern mentalitätsgeschichtlich
betrachtet (wie Anm. 40) S. 99.

106 Der Zoller Nr. 32, v. 8.2.1933.

107 Adolf Hitler: Mein Kampf. München. 190./194. Auflage 1936. S. 286.

108 Ebd., S. 734.

109 Ebd., S. 167.

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