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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2000/0217
Besprechungen

vorbereitet. Einerseits in der Rezeption und Anwendung antiker Sprachen und
Kulturen international ausgerichtet, trieben führende Humanisten und später die
Aufklärer doch die Vereinheitlichung ihrer Nationalsprachen voran - bis hin zur
gewaltsamen Durchsetzung der französischen Hochsprache in den Provinzen während
der Revolution. So stand „die Herausbildung eines europäischen Systems von
Wissenstradierung" gegen eine identitätsbildende „sprachlich-nationale Wahrnehmung
des Fremden" (S. 48 f.).

Wolfgang Schmale untersucht „Grenze als immanente Kategorie der Wissenschaft
". (S. 51-53). Eine sich nationalisierende dynastische Machtpolitik erweckte
im 17. Jahrhundert das Bedürfnis nach präziser Grenzbestimmung und führte zur
Verwissenschaftlichung der Kartographie, außerdem erhielt die seit der Antike geläufige
Unterscheidung zwischen natürlicher und politischer Grenze neue Aktualität
(S. 56-58). Hinzu trat die Erörterung kultureller Grenzen, etwa zwischen
Deutschland und Frankreich (S. 62-66). Der Umgang mit der Grenzthematik selbst
verlief in beiden Ländern konträr, denn während sich seit der französischen Aufklärung
das kulturelle Leben zentralisierte, überwogen im Deutschen Reich „die Elemente
der Desintegration" (S. 74).

Nur vordergründig eindeutig boten sich seit der Antike die Alpen als „natürliche
Grenze" zwischen Deutschland und Italien an. Doch die in sich reich gegliederte
Bergwelt mit einer südlich des Brenner oft bilingualen Bevölkerung ließ je
nach politischer Lage und der jeweiligen Einstellung der Reisenden unterschiedliche
Antworten auf die Frage offen, ob der Brenner, die Brixener Klause, der Zu-
sammenfluss von Aviso und Etsch bei Lavis, oder schließlich die Passage nördlich
der Veroneser Klause als Scheidelinie zwischen beiden Völkern gelten könne -
kenntnisreich erörtert von Reinhard Stauber. Am böhmischen Gegenbeispiel
kommt Walter Ziegler zu dem Schluss, dass der zentral gesteuerte Landesausbau
Böhmens im Mittelalter trotz deutscher Siedlungsbewegungen relativ früh zu eindeutigen
Grenzziehungen im Böhmerwald führten, jedoch ohne Beeinträchtigung
des alltäglichen Verkehrs (S. 116-130).

Hingegen erfasst Almut Franke am Beispiel der Pyrenäen den Unterschied zwischen
Grenzregion und konkreter Grenzziehung. Es erwies sich als schwierig, die
im französisch-spanischen Friedensvertrag von 1659 artikulierten Ideen einer sowohl
natürlichen als auch historisch gewachsenen Grenze umzusetzen. Bis zum
Ende des Ancien Regime befassten sich Diplomaten und Kartographen mit der Problematik
, während die Pyrenäenbewohner unter dem Einfluss der katalanischen,
französischen und spanischen Sprachkulturen nationalstaatliche Identitäten für sich
nur zur Durchsetzung lokaler Interessen reklamierten, um im übrigen zentralstaatliche
Herrschaftsansprüche geschickt zu unterlaufen (S. 187-209).

Einen lange schwelenden Grenzkonflikt zwischen Preußen und Sachsen um die
Kobenmühle nahe Eisleben in der geteilten Grafschaft Mansfeld benutzt Bernard
Heise als Ausgangspunkt für eine gedrängte Geschichte zeitgenössischer Grenzwahrnehmung
und der vor allem von militärischen Erfordernissen geprägten Kartographie
. Im modernen Staat „boundaries became integral to Organization of power
and of nations", wohingegen die frühneuzeitliche Grenze „served primarily as
a tangible sign" (Zit. S. 186, 173).

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