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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2000/0225
Besprechungen

Die Reformen unter Maria Theresia brachten nur eine mäßige Steigerung und waren
so, wie auch in verwaltungstechnischer Hinsicht, nur bedingt erfolgreich (S. 59,
65 f.). Als einzige durch ihr Herrschaftswissen qualifiziert, vertraten die Obervögte
die Untertanen auf den vorderösterreichischen Landtagen. Somit boten die Landstände
der bäuerlichen Bevölkerung kein wirksames Forum für eine eigenständige
Interessenvertretung (S. 62). Damit verlagerte sich ein politisches Strukturproblem,
wie nämlich die Interessen zwischen Herrschenden und Beherrschten auszugleichen
seien, in die Obervogtei selbst.

Kapitel 2 verdeutlicht dies anhand der Beamten. Aufgrund der zwangsläufigen
Verquickung persönlicher und staatlicher Interessen mußte der Obervogt zum Opfer
von Korruptionsvorwürfen werden, die sich nie erhärten ließen (S. 77). Die gewählten
Dorfvögte, da in die lokalen Familien- und Machtverhältnisse eingebunden,
waren nur in engen Grenzen loyal, Schmuggel und Forstfrevel kaum zu bekämpfen.
Die Triberger erschwerten den Aufbau eines Verwaltungsarchivs und sabotierten die
Ausarbeitung einer systematischen Polizeigesetzgebung (S. 82,106-112).

Den subalternen Amtsträgern sowie der Geistlichkeit ist das dritte Kapitel gewidmet
. Erstere waren notorisch unzuverlässig, letztere focht mit der Ortsherrschaft
in Ehe- und Sittenfragen einen Kampf um die Sanktionsbefugnisse aus
(S. 151-156).

Mit dem Anliegen, statistische und erzählende Darstellungsweisen zusammenzuführen
, werden im vierten Kapitel Konflikte in der Herrschaft anhand der Gerichtsprotokolle
untersucht. Anhand der Ehe- und Erbschaftsfälle wird auf die bekannte
Spannung zwischen Schwiegerverwandten hingewiesen (S. 167). Hofübergaben
erfolgten oft im Gegensatz zum Interesse der Grundherren an der Unteilbarkeit
der Güter. Mit der verschärften Konkurrenz um Land wurden ab ca. 1750 die
Frauen mehr und mehr aus dem Landbesitz verdrängt (S. 171-173). Kreditverpflichtungen
folgten zunächst der verwandtschaftlichen Logik, griffen aber auch in
komplizierten Verflechtungen über die Sippenverbände hinaus.

Leider werden viele der behaupteten Zusammenhänge zwischen Wirtschaftstätigkeit
, Ehrstreitigkeiten und obrigkeitlicher Kontrolle nur unzureichend belegt.
An keiner Stelle werden konkrete Zahlen zur Hofgrößenstruktur und zur landwirtschaftlichen
Ertragskraft genannt. Die quantitative Bedeutung der hausindustriellen
Fertigung v.a. von Kuckucksuhren für das materielle Auskommen der Unterschichten
wird nirgendwo exakt faßbar. Daß zwei gegenläufige Entwicklungen,
nämlich das Anwachsen von Ehrenhändeln ab 1750 und die Abnahme von Schuld-
und Besitzrechtsklagen, auf die neuen Einkunftsquellen zurückzuführen seien, ist
also weder statistisch zureichend abgesichert noch durch die theoretischen Annahmen
genügend plausibel gemacht (S. 184-189). Rührte doch beispielsweise das immer
schärfere Ringen um das „symbolische Kapital der Ehre" in der Handwerkerkultur
zu jener Zeit gerade von einer Selbstabschottung der Zünfte her, die damit
dem Verarmungsdruck standhalten wollten, aber den Gesellen somit die Lebensperspektive
raubten. Da die Einkünfte aus Heimarbeit, Krämerei, Wilderei und
Schmuggel, aber auch die Höhe von Steuern, Geld- und Turmstrafen in ihrer materiellen
Bedeutung für die Bevölkerung nirgendwo konkretisiert wurden, fehlen
wichtige Größen, um den Stellenwert der Ehre in den dörflichen Streitigkeiten si-

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