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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2001/0113
Das Wirken der Barmherzigen Schwestern in Hechingen

Es ist ein bemerkenswertes Zeugnis der Barmherigkeit, daß die Barmherzigen
Schwestern im Dezember 1938, als Kurt Model69, ein evangelisch getaufter Christ
jüdischer Abstammung, nach seiner Freilassung aus dem KZ Dachau mit erfrorenen
Händen und Füßen zurückkam, diesen heimlich 'behandelten' und pflegten. Seine
Witwe70 schrieb dazu71: Als mein Mann aus dem KZ. 1938 krank zurueckkam, besuchten
ihn die Schwestern bei Nacht, denn wir hatten keinen Mut[,] einen Arzt zu
rufen.

Und am 19. Juni 2000 schrieb die 90-jährige Grete Model aus Sao Paulo: Ihr Vortrag
über Wohlfahrtspflege würde mich sehr intressieren, besonders da ich mich aus
meiner Kindheit noch sehr gut an das [Kranken-JSpital erinnern kann. Damals wurde
es von katholischen Schwestern geführt. Um das Krankenhaus zu unterhaltenfj
hatten sie eine Art Verein, deren Mitglieder monatlich Beiträge bezahlten. Meine
Familie war Mitglied dieses Vereins. Es gab zwei Schwestern, die bei Bedarf die
Kranken in ihren Wohnungen besuchten[J und eine arbeitete in der Unterstadt und
die andre in der Oberstadt. Sie waren sehr geschätzt, da sie nach allgemeiner Meinung
mehr als die Ärzte verstanden. Man darf nicht vergessen, dass in den zwanziger
Jahren bei ernsten Krankheiten die Tübinger Kliniken aufgesucht wurden und es
auch weniger Ärzte in Hechingen gabfj vor allem keine Spezialisten. Mein Vater
hatte vielen Kontakt mit dem [Kranken-JSpitalfJ und am Ende des Jahres hat er
immer für die Schwestern Unterhosen hergestelltfj um sie vor der Kälte zu schützen.
Sie haben auch viel für meine am Maiweg wohnende Großmutter getan, die sie oft
besuchten. Auch wenn wir Kinder die sogenannten Kinderkrankheiten hattenfj wurden
sie geholt. Sie haben sich für alles sehr dankbar und hilfsbereit gezeigt. Als mein
Mann vom KZ Dachau nach Hause mit Erfrierungen kam[J und wir nicht den Mut
hattenfj einen Arzt zu fragenfj bin ich ins [Kranken-JSpitalfJ und am Abend kam
eine Schwester und hat ihn verarztet. Daraus sehen sie, daß auch in der Nazizeit die
Nonnen für ihren Glauben und für ihre Mitmenschen lebten. Die Krankenzimmer
waren in meiner Kindheit immer besetzt und die Kranken[,] die meist aus bedürftigen
Kreisen kamenfj wurden bestens versorgt.

Bis zu vier Schwestern waren in der Hauskrankenpflege eingesetzt. (Auch die
Evangelische Gemeinde hatte durch die Einstellung einer Gemeindeschwester eine
ähnliche Einrichtung geschaffen.) Als 1951 die Schwesternstation für die häusliche
Krankenpflege eingestellt werden mußte, weil die Schwestern im Krankenhaus
benötigt wurden, bedauerte die Bevölkerung das Fehlen dieser wohltätigen Einrichtung
allgemein außerordentlich. Wenige Jahre später wurde die Notwendigkeit so
deutlich, daß z. B. Stadtrat Bart unter allgemeiner Zustimmung im Gemeinderat den
Vorschlag unterbreitete, „für die Hauskrankenpflege die Kinderhausschwestern einzusetzen
und dafür im Kinderhaus Kindergärtnerinnen einzustellen. Bürgermeister
Paul Bindereif wies damals darauf hin, daß diese Maßnahme zum einen außerhalb der

69 Schwiegersohn des Fabrikanten Hermann Levy

70 Grete Model in Säo Paulo/Brasilien

71 Brief vom 11. Dezember 1998 an den Verfasser.

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