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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2001/0226
Burghard Weiss

das Gros geht als unnütze Wärme verloren. Zur Härtung der Strahlung war es demnach
erforderlich, Elektronen auf immer höhere Energien zu beschleunigen. Dazu
war zweierlei nötig: die Entwicklung von Höchstvoltgeneratoren und der Bau extrem
großer Röntgenröhren. Diese quasi linear, d. h. in einem einzigen Schritt, erfolgende
Erzeugung und Anwendung extremer Spannungen stieß jedoch schon bald an ihre
technische Grenze, die bei etwa 1 Million Volt (1 MV) lag. In Deutschland wurde vergeblich
versucht, diese Grenze weiter hinauszuschieben66.

Eine grundsätzliche technische Alternative bot die Erfindung der Mehrfach- bzw.
Resonanzbeschleuniger, bei denen die Teilchen eine (vergleichsweise niedrige) Spannung
sehr viele Male hintereinander durchlaufen und so Energien akkumulieren, die
weit jenseits der Grenze von 1 MeV liegen. Für schwere Teilchen war dies das Zyklotron
, für Elektronen das Betatron.

Der Beweis, daß ein Betatron funktionieren kann, war 1935 durch Max Steenbeck
erbracht worden. Die bei Siemens begonnene Entwicklung war zunächst abgebrochen
worden, wurde aber 1942 wieder aufgenommen, nachdem es Donald W Kerst
in den USA gelungen war, Elektronen auf bis zu 20 MeV zu beschleunigen67.

In der Medizin wurden als Alternative zu Röntgenstrahlen auch hochenergetische
Elektronenstrahlen in Betracht gezogen, da auch sie eine erhebliche Durchdringungsfähigkeit
aufwiesen und wirtschaftlicher als Röntgenstrahlen waren: während bei der
Erzeugung von Röntgenstrahlen das Gros der Energie der auf die Kathode prallenden
Elektronen in Form von Wärme verloren geht, hatte man diesen Nachteil nicht, wenn
die Elektronen direkt, also ohne Konversion in Röntgenstrahlen, eingesetzt wurden.

Aus diesen Gründen förderte die Luftwaffe die Entwicklung des Betatrons, insbesondere
bei der Philips Tochter C. H. F Müller in Hamburg. Dazu versicherte man
sich der Mithilfe des norwegischen Physikers Rolf Wideröe, eines Pioniers der Betatronentwicklung
, den Offiziere der Luftwaffe 1943 eigens in Norwegen aufsuchten
und zur Rückkehr nach Deutschland bewogen68. Anfang 1944 bestellte die von Schie-
bold geleitete „Forschungsstelle der Luftwaffe" bei Müller nicht nur eine Doppel-
Kaskade für 2 x 2,2 MV sondern erteilte der Firma Entwicklungsaufträge für zwei
Betatrons ä 15 bzw. 200 MeV69.

66 So entwickelten AEG und Siemens gemeinsam eine Anlage von 1 MV die im Allgemeinen
Krankenhaus Hamburg-Barmbek eingesetzt werden sollte, jedoch kriegsbedingt dort nicht
mehr zum Einsatz kam. Vgl. Konrad Norden u. Anton Eisl: Die Röntgenröhren-Entwicklung
der AEG. In: Forschen und Schaffen. Beiträge der AEG zur Entwicklung der Elektrotechnik
bis zum Wiederaufbau nach dem zweiten Weltkrieg. Bearb. von B. Schweder, 3 Bde.
Berlin 1965. III, S. 415-420.

67 Max Steenbeck: Beschleunigung von Elektronen durch elektrische Wirbelfelder. In: Die
Naturwissenschaften 31 (1943), S. 234-235. Vgl. auch die Autobiographie von Max Steenbeck
: Impulse und Wirkungen. Berlin 1977. S. 118.

68 Als die Teilchen laufen lernten: Leben und Werk des Großvaters der modernen Teilchenbeschleuniger
Rolf Wideröe. Zusammengestellt und redigiert von Pedro Waloschek. Braunschweig
1993. S. 63 und 78. Vgl. auch Materialien dazu im Archiv der Philips Medizin Systeme
Hamburg sowie AIP, Wideröe Papers.

69 Forschungsstelle der Luftwaffe an C.H.F. Müller, 25.04.1944 (Philips Medizin Systeme
Hamburg).

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